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DDR-Fundstück Püppi hat einen Schniedel

Im Barbyer DDR-Museum findet sich so manche Kuriosität. Unter anderem ein Püppchen, halb Weiblein, halb Männlein.

Von Thomas Linßner 29.12.2016, 17:39

Barby l Man möge es jetzt der Political Correctness wegen verzeihen: Im Barbyer DDR-Museum gibt es eine „Negerpuppe“. Doch damit nicht genug: Sie ist zudem intersexuell, also zweigeschlechtlich!

Doch der Reihe nach. „Die Puppe habe ich von einer Kollegin bekommen, die 1971 bei ihr aus der Schultüte guckte“, erzählt Simone Schäfer, die mit ihrem Ehemann Axel das DDR-Museum betreibt. Sie sei froh gewesen, ein so seltenes Stück nun in der Spielzeug-Abteilung des Hauses ausstellen zu können. Man sei ja immer auf der Suche nach dem Besonderen ...

Das Mädchen aus weichem Kunststoff hat wunderschöne kakao-braune Haut, hübsche braune Augen mit langen Wimpern und eine üppige schwarze Mähne. Der Kopf thront auf einem typischen Kleinkind-Mädchenkörper. Die Fingerchen sind kurz, der Body hat Rundungen, ein Bauchnabel ist angedeutet. Wenn sie angezogen ist, hat man unzweifelhaft ein kleines Mädchen auf dem Arm.

Doch wehe, man entkleidet die braune Püppi, wie es ja zuweilen im Kinderspiel vorkommt, wenn die Klamotten gewechselt werden. Dann werden die typischen primären Geschlechtsmerkmale eines männlichen Wesens sichtbar. Primärer geht es gar nicht.

Simone Schäfer weiß um die Wirkung dieses Nackedeis, wenn sie ihn den Besuchern vor die Nase hält und ein bisschen scheinheilig fragt: „Fällt Ihnen etwas auf?“ Und wie es den Leuten auffällt!

„Wie geht denn das? Warum hat Püppi einen Schniedel? War die DDR in Sachen zweigeschlechtliche Aufklärungsarbeit wirklich ihrer Zeit so weit voraus“, will ein Mittvierziger wissen.

Die Antwort ist schwierig. Simone Schäfer hat auch keine Erklärung dafür. Ihre Freundin, von der sie die Zuckertüten-Puppe bekam, auch nicht.

Auch das Internet weiß zu diesem kuriosen Spielzeug keine Antwort. Sei es wie es sei. Aber um noch mal auf die politische Korrektheit zurück zu kommen, die besonders in heutiger Zeit immer mal wieder ein Thema ist. In Schäfers Sammlung befindet sich ein DDR-Spielzeugkatalog aus dem Jahre 1968, in dem „Puppen aus verschiedenem Material“ aufgelistet sind. Unter der Artikel-Nummer „00358882“ findet man das „Negerkind Bimbo“. Das so ähnlich aussieht, wie die doppelgeschlechtliche Püppi, die man vor 45 Jahren auch ganz arglos und offiziell „Negerpuppe“ nannte.

Im Land des weltweiten Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus wurden die Kinder noch bis in die 1970er Jahre mit dem Begriff Neger groß, ohne etwas Schlimmes dabei zu denken. So stand Ludwig Renns Buch „Der Neger Nobi“ in unzähligen Kinderzimmern der Republik. In der Amerika-Serie des „Mosaik“ benutzten die Digedags ebenfalls diesen Begriff für Farbige, ohne dass ein negativer, ja rassistischer Beiklang zu entdecken war.

Die Ächtung des Ausdrucks „Neger“ war keine Erfindung der DDR. Wie mehrere Quellen belegen, wurde er seit den 1970er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und seit den 1980er Jahren in der DDR (möglicherweise beeinflusst von der Bürgerrechtsbewegung in den USA) zum Teil als abwertend bezeichnet.

Das „Moderne Lexikon“ (Bertelsmann, 1972) erklärt noch völlig unreflektiert: „Neger, die ‚Schwarzen’, der Hauptteil der farbigen Bevölkerung Afrikas, die kennzeichnende Gruppe des negriden Rassenkreises.“ Und fährt rassentheoretisch fort: „Die Neger gelten als lebenstüchtig, außerordentlich anpassungsfähig, geschickt im Lernen und bei körperlicher Arbeit.“