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Einsatzprobleme 39 Wehren tagsüber im Depot

Feuerwehren haben mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen. Dazu ein Interview mit Fachbereitsleiterin Reingard Stephan vom Landratsamt.

Von Olaf Koch 12.08.2015, 16:59

Volksstimme: Zunächst eine Frage zur Statistik: Wie viele Feuerwehren gibt es momentan im Salzlandkreis?

Reingard Stephan: Derzeit existieren 100 Freiwillige Feuerwehren und 3 Werksfeuerwehren im Salzlandkreis.

Wie viele davon sind 24 Stunden einsatzbereit?

Zur Einsatzbereitschaft der freiwilligen Feuerwehren ist eine umfassende Aussage im Hinblick auf die aktuelle Verordnung über die Mindeststärke und –ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehren nur unter Betrachtung der gesamten Stadt- oder Gemeindefeuerwehr und des vorhandenen Risikopotenzials möglich.

Dann lassen Sie uns das mal bitte versuchen ...

Nach der Verordnung über die Mindeststärke und -ausrüstung der freiwilligen Feuerwehren gilt eine Feuerwehr als einsatzbereit, wenn die laut Risikoanalyse notwendige Ausrüstung einsatzbereit vorgehalten wird und die notwendigen Funktionen jederzeit besetzt werden können. Entsprechend eines anderen Paragrafen soll die Einsatzstärke einer Ortsfeuerwehr durch mindestens eine Staffel – ein Gruppenführer und fünf Einsatzkräfte – sichergestellt werden. Dementsprechend ist hier ein personelles Minimum von sechs Kameraden beziehungsweise Kameradinnen festgelegt. Im Salzlandkreis erreichen 39 Feuerwehren diesen personellen Minimalansatz tagsüber – also von 6 bis 18 Uhr – nicht.

Wie sieht das Problem im Hinblick auf das Gefahrenpotenzial aus?

Bei 40 Feuerwehren sind bedingt durch das vorhandene Gefahrenpotenzial in den Kommunen mehr Technik und entsprechend auch mehr Kameraden vorzuhalten. Hier können 22 Wehren tagsüber nicht die nötige Anzahl an Kameraden stellen.

Wie kann man diesem Ausfall entgegenwirken?

In allen Fällen wird fehlendes Personal durch parallele Alarmierungen der Nachbarwehren kompensiert. Darauf müssen die Einheits- und Verbandsgemeinden als Träger der Feuerwehren achten, und der Salzlandkreis kontrolliert dies regelmäßig. Dabei kommen Alarm- und Ausrückeordnungen zum Tragen, die nach Uhrzeit, aber auch nach Wochen-, Sonn- und Feiertagen unterschiedlich aufgestellt und durch die Kreiseinsatzleitstelle angewendet werden.

Welche Feuerwehren mussten seit Bestehen des Salzlandkreises aufgelöst werden?

In den vergangenen Jahren gab es eine Reihe von Zusammenlegungen und Auflösungen. So wurden unter anderem die Feuerwehr Osmarsleben in die Feuerwehr Güsten integriert, Werkleitz in Tornitz/Werkleitz und die Feuerwehren Löbnitz, Trabitz, Wespen, Schackenthal und Amesdorf aufgelöst.

Welche Probleme ergeben sich daraus?

Es sollten zunächst die Möglichkeiten der Mitgliedergewinnung betrachtet werden. Die meisten Zugänge im Einsatzdienst der Feuerwehren erfolgen durch Übergang der Mitglieder aus den entsprechenden Jugendfeuerwehren ...

... die aber erst für den aktiven Dienst ausgebildet werden müssen!

Das ist richtig. Wechselt ein Jugendlicher in die Einsatzabteilung der jeweiligen Feuerwehr, steht ein straffes Ausbildungsprogramm von mindestens 166 Stunden an. Meist kommen noch weitere Ausbildungsstunden dazu.

Welche Ausbildungsmaßnahmen sind unter anderem erforderlich?

Hier wäre insbesondere die Truppmannausbildung/Teil 1 mit 70 Ausbildungsstunden zu benennen, die mit dem vollendeten 16. Lebensjahr und der Einwilligung der Erziehungsberechtigten begonnen werden kann. Dann kommen in den meisten Fällen 25 Stunden Atemschutzgeräteträger-Ausbildung hinzu. Diese Ausbildung ist nach rund zwei Jahren mit der Truppmannausbildung/Teil 2 abgeschlossen, die nochmals mit 80 Stunden laufender Ausbildung in den einzelnen Standorten zu absolvieren ist. Ebenso der Lehrgang „Sprechfunker“ mit 16 Stunden auf Kreisebene. Dann ist die Kameradin oder der Kamerad voll einsatzfähig.

Das ist ein straffes Programm und verlangt von den Kameraden – um im Bild zu bleiben – einen langen Atemzug.

So ist es, und das alles ist noch nicht zu Ende. Zeitgleich zu diesen Lehrgängen werden dann meistens auch Schulabschlüsse, Berufsausbildung und Studium absolviert.

Ist das alles eine Garantie, dass der asugebildete Feuerwehrkamerad anschließend in seinem Ort auch tätig wird?

Leider nicht. Nach der Ausbildung wandert ein erheblicher Teil der Mitglieder aus Gründen der Suche nach einem Arbeitsplatz ab. Der Teil, der in der Region bleibt, ist meist durch eine auswärtige Arbeitsstelle für die Tagesalarmsicherheit ebenfalls nicht verfügbar. Schwerpunkt bildet hier die Zeit von 6 bis 18 Uhr, außer eben an Sonn- und Feiertagen.

Ein weiterer Teil der Mitglieder im Einsatzdienst sind Quereinsteiger, die aus den verschiedensten Gründen den Weg in die Feuerwehr finden. Auch hier ist für viele der erforderliche Ausbildungsaufwand von rund 166 Stunden ein abschreckendes Kriterium.

Sind die Ausbildungszeiten auch zu verkürzen oder moderne Unterrichtsformen möglich?

Insbesondere für Interessierte, die im Schichtdienst oder auf Montage arbeiten, sind diese erforderlichen Stunden nur mit eiserner Disziplin und größtem Verständnis in den Familien und beim Arbeitgeber realisierbar. Lösungsansätze wären eine komplette Überarbeitung der Ausbildungsvoraussetzungen und deren Durchführung. Alternative Ausbildungsmodelle wie E-Learning oder Varianten, wie man sie beispielsweise von der Fahrschulausbildung her kennt, wären Möglichkeiten.

Wie kann das Problem langfristig gelöst werden?

Das Ehrenamt sollte eine umfassende Aufwertung erfahren, insbesondere die Tätigkeit in der Feuerwehr und anderen Hilfsorganisationen sollte mit deutlichen Maßnahmen der Träger der Feuerwehren zumindest symbolisch honoriert werden. Hier sind in erster Linie die Einheits- und Verbandsgemeinden gefragt.

Was konkret kann der Landkreis machen, um dem entgegenzuwirken?

Der Landkreis unterstützt in erster Linie die Kinder- und Jugendarbeit in den Feuerwehren. Dabei arbeitet er mit dem Kreisfeuerwehrverband Salzland zusammen. Weitere Maßnahmen sind die Umsetzung der ihm obliegenden Aufgaben wie die Aus- und Fortbildung im Rahmen der Kreisausbildung. Insbesondere liegt jedoch die primäre Verantwortung für die Nachwuchsgewinnung bei den Trägern der Feuerwehren.