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Extrem-Radtour Unter dem Sattel der Kaukasus

Der Schönebecker Olaf Godlofski war mal wieder mit dem Fahrrad unterwegs: mehr als 2000 Kilometer durch Armenien, Georgien und Russland.

Von Olaf Koch 17.07.2016, 14:55

Schönebeck l Mit Ankünften hat Olaf Godlofski so seine Probleme. Als er im vergangenen Jahr in der Hauptstadt vom Armenien für eine Radtour nach Iran landete, wurde nach der ersten Nacht in einem kleinen Hotel versehentlich ein viel zu hoher Betrag von seiner Kreditkarte belastet. Als er in diesem Jahr erneut in Jerewan mit dem Flugzeug ankommt, passiert der Super-Gau eines Radtouristen: Das Zweirad, das ihn seit 26 000 Kilometer treu begleitet, ist nicht mit im Flugzeug. Erst eine aufwendige Suche gemeinsam mit der Fluggesellschaft bringt zu Tage, dass die Extraanfertigung für den kräftigen Schönebecker auf dem Flughafen in Kiew steht, einsam und verlassen. Zwei Tage und viele Nerven später kann Godlofski es endlich in Jerewan in Empfang nehmen.

„Eine Alternative ohne Fahrrad hatte ich nicht“, berichtet der Schönebecker im Gespräch mit der Volksstimme. Der 52-Jährige ist schon durch viele Teil der Welt mit dem Fahrrad gefahren und entdeckt auf seinen Touren die besondere Langsamkeit, erlebt Abenteuer, trifft gastfreundliche Menschen und sieht Kulturen, die anderen, die zu Hause bleiben, unerschlossen sind. Schon im vergangenen Jahr, als er noch durch das für die Welt fast verschlossene Iran radelte, keimte in ihm der Wunsch, den Kaukasus in Richtung Norden zu erobern: Armenien, Georgien, Russland.

So werden es in diesem Jahr gleich zwei Touren. Und auf Grund der schwierigen politischen Lage im Kaukasus, verstößt Olaf Godlofski auch noch gegen eine selbst auferlegte Regel: Er fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. „Aber das war wirklich der Geografie geschuldet“, erklärt er. In den ersten sieben Tagen fährt er 745 Kilometer von Jerewan über Tiflis nach Batumi (Georgien). Von dort nimmt er den Zug – das Ticket kostet knapp 13 Euro mit Fahrrad – zurück nach Tiflis und schlägt sich bis nach Rostow am Don (Russland) durch: nochmals 1586 Kilometer in elf Tagen (siehe Karte oben).

Ein All-Inclusiv-Club-Urlaub mit allem Komfort sieht anders aus. Der Weg ist für Olaf Godlofski das Ziel, das manchmal nicht nur 100 bis 140 Kilometer entfernt liegt, sondern auch in der Höhe von 2700 Metern einiges abverlangt – und manchmal bei Regen, matschigen Straßen, 9 Grad Celsius Lufttemperatur und einer satten Steigung von 13 Prozent. An Fahren ist da nicht mehr zu denken. „Einmal habe ich auch kurz darüber nachgedacht: Warum mache ich das eigentlich?“, fragt sich der Schönebecker. Selbst der Arbeitsplatz im Ordnungsamt der Elbestadt ist da um einiges angenehmer.

Trotzdem: Wenn Olaf Godlofski über seine jüngste Radtour erzählt, dann ist die nachwirkende Zufriedenheit dem 52-Jährigen anzusehen. Vergessen sind die Strapazen mit 23 Kilogramm Gepäck auf das nötigste reduziert durch fremde Länder zu fahren, von Menschen ungläubig und manchmal auch staunend angesehen zu werden, immer auf der Suche nach einem abendlichen Schlafplatz.

Doch am Ende ist es vor allem die wiederum herzlich Gastfreundschaft, die Godlofski staunen lässt. Auf dem Flughafen in Jerewan lernt er – noch ohne sein Fahrrad – einen Taxifahrer kennen, der wenige Brocken Deutsch spricht und vor Jahren Rotarmist in der Region war. Er erweist sich als Helfer und Öffner mancher bürokratischer Tür am Flughafen. Oder der junge Mann in Russland, dem Olaf Godlofski auf seinem Smartphone den abgenutzten Bremsklotz seines Rades zeigt. „Der Mann hat sofort alles stehen und liegen lassen, hat ein Taxi geordert, und wir sind zusammen zu dem einzigen Fahrradgeschäft der Stadt gefahren“, erinnert sich der Schönebecker an die Gastfreundschaft. Oder der kleinen Gruppe trinkfester Georgien, die den Radtouristen abends um halb zehn aus dem Zelt bitten, um mit ihm bis tief in die Nacht hinein zu essen, zu trinken, zu singen und zu tanzen. „Ich weiß nicht, ob wir Deutschen auch so sind“, fragt er sich in solchen Momenten ungläubig.

Es sind diese Episoden, die dem Schönebecker Weltenbummler in Erinnerung bleiben. Und jene Bilder an eine grandiose Landschaft, an den Kaukasus, der sich ihm immer wieder auch von der schönsten Seite zeigt: ob der malerische Sonnenuntergang in Batumi am Schwarzen Meer, an den schneebedeckten Elbrus, dem höchsten Berg des Kaukasus‘ (5642 Meter hoch), oder der Steppenlandschaft im nahenden Russland.

Es ist ein einfaches Leben, was die Menschen leben. Und doch geben sie ab. Wenn der Schönebecker auf seiner Tour von Einheimischen zu Essen eingeladen war, dann tafeln sie auf und geben von dem wenigen, was sie haben, ein Großteil ab. Sie freuen sich über den Respekt, den Olaf Godlofski ihnen und ihrem Land entgegenbringt. Er ist für sie der Blick über die Grenzen nach draußen in eine in ihren Augen bessere Welt.

„Ich wurde oft gefragt, warum ich das eigentlich mache“, berichtet er. Aus Sicht der Armenier, Georgien und Russen ist es schwer zu verstehen, dass ein Deutscher, der auch das Geld für einen entspannten Karibik-Urlaub hätte, sich aufs Rad setzt und gemütlich ihre Länder durchquert. Aber eben genau das ist der Reiz: Karibik kann jeder. Und wer Olaf Godlofski kennt, der weiß, dass er schon an seiner nächsten Tour bastelt. Er, als Botschafter der Stadt Schönebeck. Nur Jerewan als Startpunkt – das muss vielleicht nicht mehr sein.