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Filmdokumentation Reise in die Vergangenheit

Zehntklässler einer Sekundarschule aus Schönebeck sind nach Polen gereist. Das Produkt der Fahrt ist ein Dokumentarfilm.

Von Carolin Soyke 24.11.2016, 19:00

Schönebeck l Im Film „Reise in die Vergangenheit“ sind die Sekundarschüler der Maxim-Gorki-Schule die Hauptdarsteller. Gegenseitig fotografierten sie sich im Bus, in der Unterkunft oder beim Städtetrip in Krakau. Die emotionalen Momente in der Gedenkstätte in Auschwitz hielt dagegen der Fotograf und Filmemacher Ray Behringer fest. Innerhalb von vier Wochen entstand daraus ein 45-minütiger Film, der seine Premiere in der Schönebecker Sekundarschule feierte.

Der fertige Film setzt sich zusammen aus Videosequenzen, Fotos und Audiotönen. Im Nachhinein wurden die Audios in der schuleigenen Bibliothek aufgenommen. Diese wurden genutzt, um beschreiben zu können, was auf den Fotoaufnahmen zu sehen und passiert ist. Die Sprecher geben somit einen Einblick hinter die Kulissen und lassen starre Bilder lebendig werden. „Um den Raum zu dämmen, haben wir mit Decken die Bücherregale abgehängt. Nicht in der gesamten Bibliothek, sondern nur in dem Bereich, wo wir unsere Stimmen aufnahmen“, sagt Josephin Marten, die selbst auch einige Passagen eingesprochen hat.

 Dass sie gefilmt wurde, auch in Situationen, in denen sie emotional ergriffen war, ist für sie in Ordnung. „Ich habe aufgepasst, dass ich keine Grimassen ziehe, über die ich mich hinterher ärgere.“ Sie betont, dass Ray Behringer nach jedem Tag mit vereinzelten Schülern Interviews führte. Dabei sprachen sie über ihre Eindrücke. Manch einer war den Tränen nahe, bei einem anderen flossen sie sogar vor der Kamera.

Was alle Interviewpartner miteinander verbindet, ist die Fassungslosigkeit, was die Menschen im Konzentrationslager erleben mussten. „Mir wurde schlecht und ich musste den Raum verlassen, als ich vor mir die Haare gesehen habe, die den Menschen in Auschwitz abgeschoren wurden“, sagt Zehntklässlerin Marten. „Hinter den Glasscheiben befanden sich zirka 27 Kilogramm Haare“, erzählt sie weiter. Diese Fahrt hat sie so sehr mitgenommen, dass sie sich in nächster Zeit nicht vorstellen könnte, noch einmal zur Gedenkstätte zu fahren. Ihr Mitschüler Bobic Hillert erlebte ebenfalls mehrere Momente, in denen er schlucken musste: „Fassungslos war ich in dem Moment, als ich an der Stelle stand, wo tausende Menschen in die Gaskammer geschickt wurden.“

Im Film äußerten sich einige seiner Mitschüler, dass sie die Bilderwand der Verstorbenen ergreifend fanden. „Auf den Fotos sah man Menschen, die lachten, die mit ihren Familien Zeit verbrachten oder selbst als Schüler abgebildet waren. Das waren Aufnahmen aus glücklichen Zeiten, als die unschuldigen Menschen noch nicht wussten, dass sie ermordet werden“, erklärt Bobic Hillert weiter. Ein bewegender Moment war für Christoph Schultz das Zeitzeugengespräch mit Waclaw Dlugoborski, der damals mit 19 Jahren in das Konzentrationslager kam. „Das Gespräch war sehr persönlich. Er erzählte uns, dass er nur durch seine Verwandten überleben konnte. Als er sich nicht bewegen konnte, halfen sie ihm, in die Genesungsblöcke zu kommen.“

Und vollkommen überraschend: Bei solch einer ernsten und emotionalen Thematik mussten schon nach wenigen Minuten der Filmvorführung einige Zuschauer herzhaft lachen. Warum? Weil Ray Behringer immer wieder auch heitere Momente einarbeitete, die die Jugendlichen während der Fahrt nach Polen erlebten. Beim Drehen und Fotografieren achtete er bewusst darauf, dass für ihn die Schüler im Fokus stehen.

Er hat sie also bei ihren Erlebnissen begleitet und am Ende keinen klassischen Film über die deutsche Geschichte produziert. Und was war nun so amüsant für die Zuschauer? Die Schüler lachten über sich, als sie Aufnahmen aus dem Bus sahen. Auch kam eine Aussage eines Schülers sehr gut an, der sich durch eine unglückliche Formulierung versprochen hat. „Als wir im Hotel angekommen sind, habe ich uns erst mal WLAN geholt, ähm das Passwort.“ Diese Anekdote wird vermutlich in 20 Jahren bei einem Klassentreffen wieder zur Belustigung beitragen.

Nach der Filmvorführung gab es Applaus von den Zuschauern und einen Hinweis von der stellvertretenden Klassenlehrerin. „Nach der Fahrt haben sich die Schüler weiter mit der Thematik auseinandergesetzt und im Team Plakate angefertigt“, erklärt Heike Uhlig dem Publikum. Im Nachgang wurde sich also noch mal intensiver mit den Verbrennungsgruben, mit dem Zeitzeugengespräch und mit dem Thema Menschenversuche beschäftigt. An den Plakaten stand jedes Team für offene Fragen zur Verfügung.

Von der Ausstellung und vom Film war Mutter Sylvia Benad begeistert: „Ich finde die Dokumentation über die Fahrt nach Polen sehr gelungen. Sie zeigt, dass die Schüler auf keiner normalen Klassenfahrt waren. Besonders berührt haben mich die Interviews der Schüler, die unter Tränen ihre Erlebnisse und Gedanken erzählten.“

Ob noch weitere Klassenstufen sich die Gedenkstätte in Auschwitz ansehen können? „Eine Fahrt ist erst einmal nicht geplant“, sagte Heike Uhlig. Die Organisation war für sie neben dem Schulalltag sehr aufwändig. Sie erklärt: „Bewusst habe ich mich dafür entschieden, dass wir uns nicht nur die Gedenkstätte, sondern auch die Stadt Krakau ansehen.“ Sie selbst hat Krakau schon vor der Klassenfahrt bereist und wusste, wie schön diese Stadt ist. „Wichtig war mir, dass die Schüler neben den Eindrücken in Auschwitz auch die Möglichkeit bekommen, in Krakau Abstand von der Thematik zu gewinnen.“ Diese Fahrt wird wohl niemand so schnell vergessen.

Der Film ist unter dem Internetlink: https://www.youtube.com/watch?v=oG6fjlkgW34 abrufbar.