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Flüchtlingskrise Düsseldorf und Bernburg so nah

Die Flüchtlingskrise in einer westdeutschen Großstadt und auf dem Land im Osten war Thema eines Gespräches.

Von Olaf Koch 25.01.2016, 18:49

Atzendorf/Barby l Wie würde die Flüchlingskrise ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer laufen, nachdem kommunale Strukturen versagt haben? Zwei Beispiele erfährt Marie-Agnes Strack-Zimmermann an diesem Tag. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP besucht auf Einladung von Johann Hauser (FDP) den Salzlandkreis. So wird der Frau aus Düsseldorf berichtet, dass der Bürgermeister von Bördeland, wenn Flüchtlinge in seiner Gemeinde Probleme mit dem Amt in Bernburg haben, sie in sein Auto lädt und persönlich ins Landratsamt fährt. In der Stadt Barby ist der Öffentliche Personennahverkehr so ausgedünnt, dass die Feuerwehrkameraden kurzerhand ihren Mannschaftstransportwagen zur Verfügung stellen, um die Flüchtlinge in die Kreisstadt zu fahren.

Diese Liste an ehrenamtlichem Engagement ließe sich aus anderen Dörfern und Städten des Landkreises problemlos fortsetzen und zeigt vor allem die Schwierigkeiten, die es auf dem flachen Land gibt, wo gesellschaftliche Strukturen längst der Vergangenheit angehören. Stichworte sind unter anderem Kindertageseinrichtungen, Schulen, Ärzte und Einkaufsmärkte. „Da haben wir es in Düsseldorf sicherlich ein bisschen besser“, entgegnet Strack-Zimmermann im Gespräch mit dem Landrat.

Sie berichtet Markus Bauer, dass Düsseldorf derzeit rund 600 000 Einwohner hat und bisher für das Flüchlingsproblem, das sich schon vor Jahren in Südeuropa andeutete (siehe Lampedusa) rund 50 Millionen Euro ausgegeben hat. Der Salzlandkreis hat zwar nicht die gleichen absoluten Zahlen zu bieten, wohl aber im Verhältnis steht er der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen um fast nichts nach: 200 000 Einwohner und bisher gut 12 Millionen Euro Ausgaben.

Beide Gesprächspartner, Strack-Zimmermann und Bauer, finden eine erstaunliche Parallele: In Düsseldorf muss die Stadt rund 10 000 Euro im Jahr pro Flüchtling aufwenden für Unterbringung und Betreuung. Um etwa die gleiche Summe kämpft der Kreis derzeit in seiner Rechnungslegung. Diese Erfahrungswerte zeigen nun, dass der Landkreis mit seinen bisher veranschlagten Kosten von 8500 Euro zu weit unter dem machbaren Limit liegt.

Beide Politiker, der Sozialdemokrat Bauer und die Liberale Strack-Zimmermann, betonen, dass dies nur das Mindeste sein kann. „Wir haben dabei noch nicht einmal über die Inte- gration gesprochen“, so Bauer, der deutlich macht, dass diese wichtige Aufgabe nicht nur nochmals erheblich Geld kostet, sondern auch erfordert, dass die Bevölkerung in dem Prozess mitgenommen werden muss.

In diesem Zusammenhang berichtet Marie-Agnes Strack-Zimmermann von einem Beispiel aus Düsseldorf: Vor der Eröffnung einer Flüchtlingsunterkunft wurden die Bürger eingeladen, sich diese anzuschauen. „Es gab daraufhin einen sehr positiven Effekt: Die Menschen waren bereit, sich noch viel mehr mit einzubringen“, so Strack-Zimmermann, die in den vergangenen Jahren 1. Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Düsseldorf war.

Landrat Markus Bauer nutzt die Gelegenheit, dem Gast aus dem tiefen Westen ein Projekt vorzustellen, das im Osten geboren wurde: nämlich im Salzlandkreis. „Wir haben von Anfang an festgestellt, dass es an Betreuungskonzepten fehlt“, so der Landrat. Und es sind eben Nachbarn und Menschen gerade in der eigenen Kommune, die Fremde mitnehmen auf ihren ersten Schritten in Deutschland. „Es gibt so viele grundsätzliche Dinge, die erklärt werden müssen“, begründet der Landrat: Verwaltungen, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Vereinsleben, religiöse Vielfalt, Mülltrennung, Hauswoche ...

Im Salzlandkreis wurde die Idee der Soziallotsen geboren, die von den jeweiligen Bürgermeistern vorgeschlagen werden. 40 Frauen und Männer aus den 21 Kommunen nehmen diese Aufgabe im Landkreis inzwischen wahr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigt sich angetan von diesem Modell. Sie erzählt aus ihrer Erfahrung unter anderem von Lehrern an Schulen, die derzeit wesentlich mehr leisten, als im Lehrplan festgeschrieben ist. Kinder werden so so schnell wie möglich in ihrem neuen Klassenverband integriert.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann geht im Übrigen davon aus, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge nur temporär in Deutschland und Europa bleiben wird. „Viele werden wieder in ihre Länder zurückgehen, wenn der Krieg vorbei und es dort wieder lebenswert ist. Heimat ist eben immer Heimat“, so die Düsseldorferin.