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Flüchtlingszahl Kreis benötigt höhere Pauschale

Mehr Personal und mehr Geld braucht der Salzlandkreis für Flüchtlinge. Die Landespauschale reicht zur Deckung nicht aus.

Von Kathleen Radunsky- Neumann 15.10.2015, 23:01

Schönebeck/Staßfurt l 10 600 Euro je Flüchtling pro Jahr: Das ist der Betrag, den Landrat Markus Bauer (SPD) und der Städte- und Gemeindebund für die Unterbringung und Betreuung veranschlagen. Vom Land Sachsen-Anhalt sind nach bisherigem Standpunkt aber weniger, nämlich 8600 Euro, geplant. Diese Summe soll nicht eins zu eins den Flüchtlingen ausgehändigt werden - um hiermit einer Fehldeutung vorzubeugen. Diese Summe sei notwendig, um Gemeinschaftsunterkünfte beziehungsweise Wohnungen herzurichten. Hierbei geht es um Anmietung, Erwerb, Bau und Ausstattung. Wie sich diese Pauschale zusammensetzt, dazu lesen Sie mehr im nebenstehenden Text.

Landrat Markus Bauer kritisiert an dieser Summe - die auf den Flüchtlingszahlen 2014 basiert -, dass diese eher die laufenden Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge decke. Ihm fehlen darin aber beispielsweise neue Investitionen und genauso die Kosten für das zuständige Personal in der Kreisverwaltung. Letztlich befindet sich der Kreis in einer misslichen Lage.

Investieren trotz der vorläufigen Haushaltsführung

Welche Entscheidung auch getroffen wird, man verstößt gegen Regeln. Denn: Die Unterbringung der zugewiesenen Flüchtlinge ist eine Pflichtaufgabe, sie muss erfüllt werden. Die Krux: Der Salzlandkreis verfügt über keinen beschlossenen Haushalt, befindet sich also in der vorläufigen Haushaltsführung. Demnach fehlt die Rechtsgrundlage, neue, bisher ungeplante Investitionen zu tätigen.

Richtet der Salzlandkreis ergo die neuen notwendigen Unterkünfte für weitere Asylbewerber her, handelt er rechtswidrig, weil er kein Geld ausgeben darf. Aber: Tätigt der Kreis keine Investitionen, schafft also keine zusätzlichen Unterkünfte für Flüchtlinge, erfüllt er seine Pflichtaufgabe nicht und handelt damit ebenso rechtswidrig.

Also was tun? Landrat Markus Bauer hat im August in einem Schreiben das Landesverwaltungsamt über die missliche Lage, in der sich derzeit auch andere Landkreise befinden, informiert und um Unterstützung gebeten. Nur auf telefonische Nachfrage beim Landesverwaltungsamt erhielt Bauer die Information, „dass das Ministerium für Inneres und Sport die Angelegenheit noch prüfen wird“. Darüber wiederum informiert Bauer schließlich die höchste Instanz, Ministerpräsident Reiner Haseloff.

Die Forderung des Landrates: „Der Salzlandkreis ist finanziell nicht mehr in der Lage, die Kosten für die Unterbringung und Betreuung der Asylbewerber zu tragen. Es bedarf einer vollständigen Erstattung durch das Land.“ Und: „Es ist ein unverzügliches Handeln des Landes ... unerlässlich.“ Denn bis heute geht der Salzlandkreis in Asylbelangen finanziell in Vorleistung. Markus Bauer: „Wir als Landkreis können auf unsere Kommunen bauen, wir benötigen aber auch die Unterstützung vom Land.“

Am vergangenen Dienstag war der SPD-Politiker zum Gespräch beim Ministerpräsidenten. Lösungen können noch nicht präsentiert werden. Der Landrat will es dabei nicht belassen. Deshalb hat er am Mittwochabend die Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen zu einer nichtöffentlichen Sitzung nach Bernburg eingeladen (Volksstimme berichtete). Das Ziel: Rückendeckung von den Kreistagsfraktionen erbitten. Denn der Salzlandkreis muss handeln. Konkret geht es um die Aufstockung des Personals in der Kreisverwaltung. Denn in der bereits genannten Haushaltssituation wird der Landkreis mit diesem Schritt haushaltsrechtliche Vorschriften außer Acht lassen - ein Punkt, bei dem Bauer das Einvernehmen des Kreistages wünscht und im Ergebnis wahrscheinlich erhält.

Mit mehr Personal ist es längst nicht getan. Bis dato hat es der Salzlandkreis geschafft, die monatlichen Soll-Zahlen von Asylbewerbern zu gewährleisten, obwohl sie seit Jahresbeginn von rund 80 pro Monat auf nun mehr als 440 Bewerber monatlich angestiegen sind. Der Salzlandkreis hat bis heute ausreichend Wohnungen anmieten und Platz in den Gemeinschaftsunterkünften vorhalten können.

Der Kreistag hat während seiner Sitzung am 7. Oktober den Landrat mit einem Beschluss ermächtigt, „unter Außerachtlassung eventuell entgegenstehender haushaltsrechtlicher Vorschriften“, zwei konkrete Investitionen „ohne einer zur Zeit entsprechenden finanziellen Deckung“ zu veranlassen:

• Das ehemalige Berufsschulwohnheim in Aschersleben soll als Gemeinschaftsunterkunft für 67 Flüchtlinge genutzt werden. Geschätzte Umbaukosten: 261 000 Euro.

• Die bisherige Gemeinschaftsunterkunft in Aschersleben soll erweitert werden. Um eine noch nicht finanzierte mobile Wohneinrichtung aufzustellen, müssen alte Garagen abgerissen werden. Geschätzte Abrisskosten: 180 000 Euro.

Darüber hinaus wollte der Salzlandkreis die Gemeinschaftsunterkunft in Schönebeck um rund 100 Plätze erweitern. Geplante Kosten: 1,3 Millionen Euro. Diesen dritten Punkt hat der Kreistag aber verwehrt. Diese Option liegt also vorerst auf Eis.

Bis September hatte der Salzlandkreis 245 Wohnungen im gesamten Kreisgebiet für die Unterbringung der Flüchtlinge angemietet. Sie verteilen sich auf nahezu alle Einheits- und Verbandsgemeinden. Mit Stand 4. September waren 898 Flüchtlinge in diesen Wohnungen untergebracht. „Der kommunale und private Wohnungsmarkt zur Unterbringung der Asylbewerber ist weitgehend ausgeschöpft“, heißt es in der entsprechenden Vorlage. Dem Salzlandkreis liegen inzwischen Angebote von Wohnungsgenossenschaften vor. Aber: Eine Anmietung von Wohnungen der Wohnungsgenossenschaften ist nur möglich, wenn der Salzlandkreis der Wohnungsgenossenschaft beitritt und entsprechende Genossenschaftsanteile erwirbt. Dem stimmte der Kreistag zu.

Die Genossenschaftsanteile der Wohnungsgenossenschaften im Salzlandkreis betragen der Vorlage nach zwischen zirka 600 und 1100 Euro für eine 3-Raum-Wohnung. „Nach Kündigung der Wohnung und Kündigung der Mitgliedschaft werden die eingezahlten Genossenschaftsanteile nach den satzungsmäßigen Bestimmungen zurückgezahlt“, heißt es weiter.

Wohnungen und Gemeinschaftsunterkünfte bieten Platz. Doch sie müssen auch zu einem gewissen Maß eingerichtet sein. „Auf Grund der dramatisch steigenden Zahl der Flüchtlinge kommt es zunehmend zu Lieferschwierigkeiten bei der Beschaffung von Ausstattungsgegenständen“, heißt es in der Nachtragsbeschlussvorlage des Kreises, über die die Politiker ebenso am 7. Oktober abgestimmt haben. Dieser Nachtrag ist notwendig, um „den Bedarf für den Zeitraum Oktober 2015 bis März 2016 schnellstens vertraglich zu binden und einen Vorrat zu halten“, heißt es in der Vorlage. Denn „nur so wird es möglich sein, zur Verfügung stehende Wohnungen und Gemeinschaftsunterkünfte auch zeitnah zur Belegung herrichten zu können.“ Der Kreistag stimmte zu, für die „Beschaffung von Ausstattungsgegenständen wie Betten, Schränke, Tische, Stühle, Waschmaschinen, Elektroherde und dergleichen bis zu 2,3 Millionen Euro“ zur Verfügung zu stellen.

Das Zustandekommen der Summe wird in der Vorlage wie folgt begründet: „Für die Ausstattung einer Wohnung für fünf Personen werden zirka 3640 Euro zuzüglich zirka 219 Euro für Montage- und Anschlusskosten benötigt. Geht man davon aus, dass monatlich zirka 500 Personen unterzubringen sind, werden 600 Wohnungen beziehungsweise adäquate Gemeinschaftsunterkünfte bis Ende März 2016 benötigt.“