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Gericht Cannabisanbau „wegen Schmerzen“

Ein Drogen-Prozess endete vor dem Schöffengericht in Schönebeck mit der Verurteilung eines 53-Jährigen zu einer Haftstrafe von neun Monaten.

Von Bernd Kaufholz 03.07.2017, 00:00

Schönebeck l Bei einer Hausdurchsuchung in einer anderen Sache hatte die Polizei im vergangenen Jahr in einem Ortsteil der Gemeinde Bördeland eine kleine aber feine Cannabisplantage entdeckt. Konkret waren es 15 Pflanzen, deren Untersuchung im Landeskriminalamt einen Wirkstoffgehalt (THC) von 32,4 Gramm ergab. Umgerechnet sind das 2160 „Konsumeinheiten“ und somit einen Drogen-Vorrat für mehr als drei Jahre. Wie der Staatsanwalt deutlich machte, könne man damit auf dem Schwarzmarkt einen Gewinn von 7000 bis 10 000 Euro erzielen.

Doch an Handel habe er niemals gedacht, beteuerte der Angeklagte. Es sei vielmehr sein letzter Ausweg gewesen, seine jahrelangen Schmerzen, die er kaum noch ertragen könne, zu bekämpfen. Rechtsanwalt Carsten Schneider bestätigte die diversen Operationen, zum Beispiel der Schulter, der Wirbelsäule, die Amputation der Finger der der linken Hand, die Fußprobleme.

Der Angeklagte selbst sagte: „Die starken Schmerzmittel verträgt mein Magen nicht. Ständige Übelkeit. Ständiges Übergeben.“ Er habe dann mal von einem Krebspatienten gehört, dass ihm Cannabis die Schmerzen gelindert habe. „Ich habe mir dann per Internet Samen bestellt und diese ausgesät.“ Über THC-Gehalt und ähnliches wisse er gar nichts. Die 15 Pflanzen seien auch sein erster Versuch auf diesem Gebiet gewesen. Vorher habe er sich Cannabis als Schmerzmittel illegal besorgt. Doch das sei zu teuer geworden.

Ob er daran gedacht habe, sich die Erlaubnis zu holen, Cannabis von der Apotheke zur Schmerzlinderung zu holen, wollte der Vorsitzende Richter Bruns wissen. „Nein“, räumte Hartmut R. ein. Und sein Anwalt ergänzte: „Das ist doch erst seit diesem Jahr möglich.“

Der Angeklagte, der seit drei Jahren krankgeschrieben, 80 Prozent berented ist und dessen Voll-Rentenantrag läuft, räumte ein, dass er gegen das Gesetz verstoßen hat, „aber diese Schmerzen …“ Strafverteidiger Schneider wies in seinem Schlussvortrag auch auf die besondere Situation seines Mandanten hin, die „ausnahmsweise einen minderschweren Fall“ rechtfertige. Das Strafmaß: zwischen sechs und neun Monaten.

Der Staatsanwalt sah hingegen aufgrund des hohen THC-Gehaltes keinen minderschweren Fall, in der Tat, die im Strafgesetzbuch als Verbrechen klassifiziert wird. Er fordert eineinhalb Jahre Haft.

Das Schöffengericht sah den minderschweren Fall des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes „aufgrund der schier endlosen Leidensgeschichte des Angeklagten und einer Situation, in dem man nach jedem Strohhalm greift“.