1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Leidenschaft weicht der Vernunft

Grüne Damen Leidenschaft weicht der Vernunft

Vor elf Jahren hat Gudrun Schedler das Projekt der Grünen Damen in Schönebeck aus der Taufe gehoben. Nun hört sie auf.

Von Kathleen Radunsky-Neumann 19.12.2016, 00:01

Schönebeck l Bei einem Abschied kommen oft das sprichwörtliche weinende und lachende Auge zum Vorschein. Dass bei dem Abschied, den Gudrun Schedler nun genommen hat, aber das traurige überwiegt, das ist der 74-Jährigen anzusehen. Sie ist den Tränen nahe. Sie versucht tapfer zu sein. Das fällt ihr schwer. Kein Wunder. Schließlich hat Gudrun Schedler ihr Ehrenamt als Grüne Dame im Klinikum Schönebeck mit Leidenschaft erfüllt. Sie ist sogar die Begründerin dieses Projektes.

„Seit zwei Jahren habe ich mich mit Schmerztabletten für den Einsatz gestärkt“, erzählt sie. So konnte es nicht mehr weiter gehen. Es liegt ihr eben am Herzen, was sie tut. Denn als Grüne Dame besucht sie einmal in der Woche die gynäkologische Station im Ameos-Klinikum und spricht mit den Patienten. Die Zuwendung, die das Klinikpersonal aus Zeitgründen nicht leisten kann, versucht Gudrun Schedler zu geben. „Ein wesentlicher Unterschied zu den Ärzten und Schwestern ist zum Beispiel, dass wir uns hinsetzen und damit dem Patienten signalisieren, dass wir Zeit haben“, erzählt die 74-Jährige. Mit der Grünen Dame können die Patienten über ihre Sorgen sprechen. Gleichzeitig versuchen die Helfer an andere Netzwerkpartner zu vermitteln. Es ist ein vielfältiges Aufgabengebiet. Einfach zu handhaben ist es nicht. Es kostet Zeit. Es kostet Nerven. Manches Schicksal lässt die Grünen Damen nicht gleich los. Trotzdem: Gudrun Schedler weiß, dass sie mit ihrem Ehrenamt einigen Menschen helfen kann. Deshalb führt sie es mit Herzblut aus. Und deshalb hat sie es länger getan als es für ihren eigenen Körper gut gewesen ist.

Doch Gudrun Schedler wäre nicht Gudrun Schedler, wenn sie einfach alles stehen und liegen lassen würde. Die Grünen Damen sind heute eine etablierte Institution. Sie sind auf verschiedenen Stationen im Klinikum im Einsatz, in Altenheimen und in der Human-Wohngemeinschaft. 15 Frauen und ein Mann gehören zu dem Team. Jeder Ehrenamtliche hat seinen Bereich. Gudrun Schedler war für die gynäkologische Abteilung verantwortlich. Hier ein Loch hinterlassen? Das ist nicht die Art der engagierten Frau. Heute kann sie eine Nachfolgerin vorweisen. Ein Aspekt, der ihr den Rückzug wohl erst möglich macht.

Bärbel Kortt ist die Neue im Team. Als Krankenschwester hat sie in ihrem Berufsleben selbst erlebt, wie gut die Grünen Damen den Patienten tun. Seit drei Jahren befindet sie sich im Ruhestand. Nun übernimmt sie die Frauenstation. Sie fühlt sich ihrer neuen Aufgabe gewachsen. Das hilft Gudrun Schedler. Nun kann sie Abschied nehmen, wenngleich es ihr schwer fällt.

Einmal im Jahr, traditionell in der Vorweihnachtszeit, lädt das Klinikum die Grünen Damen zu einer Danke-Veranstaltung ein. Dieses Mal ist der Abschied von Gudrun Schedler das Hauptthema. Als ihr Cornelia Heller, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit am Klinikum, ein kleines Geschenk überreicht, bannen sich ein paar Tränen ihren Weg. Gudrun Schedler ist gerührt. Kaum hat sie sich gefangen, überreichen ihr drei Vertreter der gynäkologischen Abteilung Dr. med. Christine Lehmann, Schwester Angelika und Dr. Ute Rommel ebenfalls ein Präsent. Gepaart mit lieben Worten kann Gudrun Schedler hierbei wieder nur schluchzen.

Doch schnell fängt sie sich wieder. Und das Geschäftliche in ihrer Stimme übernimmt die Oberhand. Es gibt nämlich Neues zu berichten. Dabei geht es um einen medizinischen Eingriff an Krebspatientinnen, die sich im gebärfähigen Alter befinden. Wollen sie ihre Eier vor der Therapie sozusagen einfrieren lassen für einen späteren Kinderwunsch, so muss die Patientin die mehr als 1000 Euro für die Behandlung selbst tragen. Aufmerksam geworden auf dieses Problem ist Gudrun Schedler durch einen Fall am Schönebecker Klinikum. „Die Patientin konnte sich das selbst nicht leisten, ihre Familie musste zusammenlegen“, berichtet Gudrun Schedler. Für sie ein Unding. „Der Kinderwunsch ist meiner Meinung nach ein grundlegendes Element“, betont sie und fordert, dass diese Leistung von Krankenkassen übernommen wird. Deshalb hat sie sich an Burkhard Lischka von der SPD gewandt, „weil die SPD ja für Soziales steht“. Nun fast ein Jahr später hat sie die gute Nachricht. Demnach gebe es eine Studie, die vielversprechende Ergebnisse bringt. Diese wolle der Bundestagsabgeordnete nutzen, um sich dafür einzusetzen, dass dieser Eingriff künftig als Kassenleistung gilt. Diese Nachricht macht Mut. Gudrun Schedler ist stolz. Zu Recht. Und Dr. med. Christine Lehmann gibt anerkennend zu: „Ich hatte anfangs nicht daran geglaubt.“ Und Schwester Angelika: „Sie sind mein politisches Vorbild.“

Bevor sich die 15 Gründen Damen und der eine Grüne Herr schließlich dem gemütlichen Teil mit Kaffeeplausch und Co. widmen, richtet Krankenhausdirektor Guido Lenz noch seine Dankesworte an die Gruppe. „Leider ist der Patient heute mehr ein Träger einer Krankheit“, führt er mit offenen Worten aus. Im Klinikalltag gelinge es wenig, den Menschen zu behandeln, sondern eher nur seine Krankheit. „Das verloren gegangene Stück Zuwendung bringen Sie zurück.“