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Human-WG Zuspruch für spezielle Wohnform

Mitstreiter haben in Schönebeck vor einem Jahr die Human-WG realisiert. Dort können schwerkranke Menschen ihr Leben in Würde beenden.

Von Jan-Thomas Goetze 02.12.2016, 18:11

Schönebeck l Die Human-WG in der Garbsener Straße in Schönebeck feiert ihr einjähriges Bestehen. Ideengeber für das Sozialprojekt war die Bürgerstiftung Salzlandkreis. Mechmet Tefikow von der Bürgerstiftung resümiert die vergangene Arbeit mit einem Satz: „Die Human-WG ist ein großer Erfolg.“

Möglich gemacht hat das Projekt ein beeindruckendes Netzwerk, zu dem unter anderem Dr. Burkhard John von der Kassenärztlichen Vereinigung, Britta Duschek von der Bürgerstiftung Salzlandkreis, Mitglieder des ambulanten Hospizvereins, Prof. Peter Rudolph von der Hochschule Magdeburg (Fachbereich Gesundheitsmanagement), Gudrun Schedler von den Grünen Damen und Belinda Biging von der Volkssolidarität gehören. Aber ebenso beteiligt an diesem Netzwerk sind die Palliativmedizinerin Anette Schmalenberger aus Schönebeck, Architektin Angela Grube, Notarin Katrin Radszuweit, Apothekerin Anke Marckwardt und Bestatter Harald Wunneburg.

Letztendlich in die Realisierung gebracht hat das Vorhaben aber Sigrid Meyer, Geschäftsführerin der Städtischen Wohnungsbau (SWB) GmbH Schönebeck, denn sie hat das Netzwerk zusammengeführt und das Vorhaben in einem ihrer Gebäude in der Garbsener Straße umgesetzt. Damit ist sie Vorreiterin für diese spezielle Wohnform in Deutschland. Und die SWB hat nationale Aufmerksamkeit damit erregt, denn Anfragen zum Projekt kommen mittlerweile aus verschiedenen Teilen Deutschlands. Sigrid Meyer: „Fünf Jahre Planung waren notwendig, bevor wir mit der Human-WG starten konnten. Unzählige Probleme mussten im Vorfeld überwunden und Menschen für das Vorhaben überzeugt werden. Heute gibt uns der Erfolg aber Recht. Es gibt einen Bedarf für diese Human-WG, die eben nicht ein Hospiz ist.“

Todkranke Menschen können sich demnach einmieten und finden dort ein Gefüge aus Bewohnern, die auch in einer Alten-WG leben könnten, einer 24-stündigen Fachbetreuung durch die Caritas und eben WG-Zimmern, die todkranken Menschen vorbehalten sind. Verfügbar sind diese Zimmer im Notfall auch kurzfristig ohne Wartezeiten, betont Irina Hartkopf, Leiterin der Caritas-Sozialstation, die für die Betreuung in der Human-WG verantwortlich ist. „Ich bin von dem Konzept vollkommen überzeugt, sonst hätte ich hier auch keine Verantwortung übernommen“, betont sie. „Wir haben auch Bewohner, die für eine Übergangszeit zu uns kommen und wieder in ihr heimisches Umfeld zurückkehren können. Dies sind dann Aufenthalte, um pflegende Familienangehörige für eine gewisse Zeit zu entlasten oder den gesundheitlichen Zustand zu stabilisieren.

Spezielle Mietverträge, die auf die Bedürfnisse der Bewohner abgestimmt sind, machten dies möglich, erläutert Sigrid Meyer. Wichtig ist in den Augen von Irina Hartkopf auch, dass die Bewohner frei über ihren Raum verfügen können. So könnten Angehörige jederzeit zu Besuch kommen oder dort übernachten. „Die Selbstbestimmung der Bewohner ist in der letzten Lebensphase für uns besonders wichtig“, erklärt Irina Hartkopf.

„Leider spüren wir eine große Ablehnung der Krankenkassen,“ bedauert Sigrid Meyer. Sie würden keinen Bedarf für Wohnformen zur Betreuung totkranker Menschen sehen, die zwischen der häuslichen Betreuung und Hospizen angesiedelt seien, eben wie die der Human-WG.

Die Arbeit vor Ort ist dennoch möglich, so Irina Hartkopf von der Caritas. Die Caritas helfe bei der Beantragung von Pflegegeldern. Über einen Hilfsfonds der Bürgerstiftung, den „Human-Fonds“, könnten Menschen, die sich einen Aufenthalt nicht leisten könnten, bezuschusst werden, erläutert Mechmet Tefikow von der Bürgerstiftung. Und Irina Hartkopf ergänzt: „Wir mussten aus finanziellen Gründen noch niemanden abweisen.“

Mechmet Tefikow pflichtet bei: „Wir sind jederzeit hilfsbereit. Wir stützen uns hier finanziell auf Spenden und haben diese bereits auch von großen Schönebecker Unternehmen erhalten. Wir sind grundsätzlich für jede kleine Summe dankbar.“

15 Palliativpatienten im Alter von 52 bis 85 Jahren haben das Angebot der Human-WG nach Angaben der Caritas bereits wahrgenommen. „Wichtig ist uns“, so Irina Hartkopf, dass die Menschen auch nach ihrem Tod präsent bleiben.“ So gibt es ein Abschiedsbuch, außerdem gibt es Angehörigentreffen im Rahmen der Human-WG, auch nach dem schmerzhaften Verlust ihrer Angehörigen.

Wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, ist herzlich willkommen, lädt Irina Hartkopf ein: „Wir benötigen immer Unterstützung. Seien es Menschen, die für ein Gespräch zur Verfügung stehen oder auch einen Spaziergang begleiten.“

Schon jetzt stehen vielfältige Gesprächspartner für die Bewohner bereit. So zum Beispiel die Grünen Damen und Herren sowie bei Bedarf auch Pfarrer. „Wichtig ist uns“, sagt Irina Hartkopf, „dass jeder Bewohner für sich seinen Wunsch für ein Gespräch äußern kann. Wir versuchen, diesen dann zu erfüllen.“

Einen Ausblick gibt Sigrid Meyer: „Wir arbeiten bereits an einem Nachfolgeprojekt, da die Caritas die Nachfrage nicht abdecken kann.“