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Interview Gottesdienst für die Augen

Der „Gottesdienst für die Augen“ ist ein Angebot für hörende, schwerhörige und gehörlose Menschen am Sonntag in Schönebeck gewesen.

Von Heike Liensdorf 18.10.2016, 06:51

Ein Gottesdienst für Schwerhörige und Gehörlose - wie ist die Idee entstanden?

Johannes Beyer: Frau Strube hat mich angeschrieben und gefragt, ob ich mir einen solchen Gottesdienst vorstellen kann. Klar, kann ich. Sie macht das öfter und bemüht sich, in jedem Kirchenkreis einmal jährlich zu sein.

Elisabeth Strube: Der Gottesdienst für die Augen ist eine Gottesdienstform, um auch in der Gemeinde eine inklusive Barrierefreiheit umzusetzen. Das Bemühen, in jedem Kirchenkreis (auf dem Gebiet von Sachsen-Anhalt) einen Gottesdienst für die Augen im Jahr anzubieten, trägt deutlich Früchte.

Sie sind Landespfarrerin in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) für gehörlose und schwerhörige Menschen. Wie kommen solch Gottesdienste in den Kirchenkreisen zustande?

Elisabeth Strube: Ich trete selbst an die Kirchenkreise oder direkt an die Kollegen heran. Da Johannes Beyer und ich zusammen studiert haben, war letzteres der Fall. Ich mag die Gebärdensprache sehr – sie war sozusagen für mich zuerst da, dann kam der Kontakt mit gehörlosen Menschen. Ich bin nicht gehörlos, hatte aber einen schwerhörigen Vater. Von daher waren mir einige Umgangsregeln schon vertraut. In der EKM gibt es einen weiteren Landespfarrer für den Bereich Thüringen, einige Pfarrer mit prozentualen Stellenanteilen, ehrenamtlich Mitarbeitende. Die Gebärdensprache ist Grundvoraussetzung für diesen Dienst.

Der musikalische Part lag bei Carsten Miseler. Eine Herausforderung?

Carsten Miseler: Teils, teils. Viele der Besucher waren Menschen mit normalem Gehör. Menschen mit einem Restgehör hören vor allem in den tiefen Tönen oft noch sehr gut. Höhere Töne werden oft verzerrt und als schmerzhaft empfunden. Dafür gibt es sogar spezielle Kompositionen, die das Ziel haben, schwerhörigen Menschen einen Musikgenuss zu verschaffen. Wirklich Gehörlose nehmen Rhythmus und Klang der Musik auf eine andere Weise wahr, weil sie den ganzen Körper einsetzen müssen. Der Körper, die Augen und das Fühlen ersetzen die Ohren. Damit können sie Schwingungen spüren, visualisieren und fühlen. Im eigenen Spiel an Orgel und Klavier habe ich versucht, bewusst mehr Basstöne in der tiefen Oktave zu spielen. Interessant, wie engagiert Frau Strube meine Vorspiele zu den gesungenen Liedern in Gebärdensprache übersetzt hat. Darüber hinaus dachte ich oft daran, wie es sich wohl anfühlt, taub zu sein oder (wie Beethoven) langsam gehörlos zu werden.

Wo haben Sie im Vorfeld für diesen „Gottesdienst für die Augen“ geworben?

Johannes Beyer: Volksstimme, Plakate, Kirchenkurier, Abkündigungen ...

Elisabeth Strube: In „Unsere Gemeinde“, der Zeitschrift für die evangelischen Gehörlosen in Deutschland, und in den „Informationen aus der Evangelischen Gehörlosenseelsorge“, Bereich Sachsen-Anhalt (erscheint drei Mal im Jahr).

Sind Sie mit der Resonanz auf das Angebot zufrieden?

Johannes Beyer: Es waren (laut Frau Strube) heute erfreulich viele Gehörlose da. Die meisten gehören wohl nicht zur Kirche. Toll, dass sie trotzdem da waren!

Wenn Sie den Gottesdienst vom Sonntag in einen Satz zusammenfassen sollten ...

Johannes Beyer: Gebärden sind eine Brücke zwischen Hörenden und Gehörlosen und im Gottesdienst heute konnte jeder erfahren, dass Jesus Christus eine Brücke ist, über die jeder Mensch zu Gott kommen kann.

Gab es solch einen Gottesdienst schon einmal? Wird es eine Fortsetzung geben?

Johannes Beyer: Nein, aber wir hatten schon zweimal eine Gebärdendolmetscherin eingeladen. Im kommenden Jahr wollen wir in Schönebeck (eventuell in der Adventszeit) wieder einen „Gottesdienst für die Augen“ anbieten.

Können Sie sich auch einen anderen besonderen Gottesdienst vorstellen? Zum Beispiel für Sehbehinderte?

Johannes Beyer: Ja aber Seh-behinderte habe ich doch dauernd da: Brille vergessen, Schrift zu klein ... (er schmunzelt). Jeden letzten Sonntag im Monat, 17 Uhr, feiern wir einen barrierefreien Gottesdienst (17+) in dem Sinn, dass man keine Vorkenntnisse braucht, um zu verstehen, was da passiert. Besondere Themen, einfache Liturgie, Einsatz von Kurzfilmen. Am 29. Oktober gibt es zum Beispiel Tanztheater.