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Nachbau Pömmelter huldigt Herrn Dunkelbunt

In Pömmelte wird auf einem Privatgrundstück am Sonnabend eine Mauer eingeweiht.

Von Thomas Linßner 12.08.2016, 16:24

Pömmelte l Thomas Warnecke muss jetzt auf der Hut sein, dass ihm kein Spitzname verpasst wird. Denn auf dem Dorf passiert das schnell, wenn man sich mit Dingen hervor tut, die abseits der Norm liegen. So könnte der Ortsbürgermeister fortan „Hundertwasser“ oder „Friedensreich“ gerufen werden. Frei nach Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser (1928-2000), dem österreichischen Baukünstler, dem Freund der krummen Linien, der auch Magdeburgs berühmte Grüne Zitadelle zu verantworten hat.

Warum? Sie ahnen es. Thomas Warnecke hat im Garten eine 15 Meter lange Mauer im Stile des Meisters gebaut. Heute nun, am 13. August, wird sie im kleinen Kreis eingeweiht. Das Datum lehnt sich an den Bau des unseligen „Antifaschistischen Schutzwalls“ von Berlin an. Wobei Warneckes buntes, gewollt krummes Ding keine Abschottung zu Napper Dieter Kohle sein soll, der übrigens auch mal Bürgermeister von Pömmelte war.

„Auslöser waren ganz pragmatische Dinge“, erinnert sich Thomas Warnecke. Denn das 40 Jahre alte Vorgängermodell aus Calbenser Gasbetonsteinen verlor den inneren Halt und fiel um. „Ich wollte es schöner machen. Da stolperte ich über einen alten Volksstimme-Ausschnitt, dass jemand in Welsleben auch eine Hundertwasser-Mauer gebaut hat“, erzählt der 57-Jährige. Denn der lauschige Garten hinter dem Wohnhaus in der Glinder Straße hat wirklich mehr verdient, als eine schnöde Null-Acht-Fünfzehn-Mauer.

Also begann der Pömmelter zu recherchieren, welche Elemente er bei sich einfließen lassen könnte. Als Sohn des bekannten Ortschronisten Heinz Warnecke (95) und mit gesundem Heimatbewusstsein ausgestattet, sollten freilich Komponenten eine Rolle spielen, die typisch für unsere Gegend sind. Thomas Warnecke ließ sich von alten Mauern und Zierrat seines ländlichen Umfeldes inspirieren.

Und begann im Frühjahr mit dem Bau.

Doch zuvor musste Material gesammelt werden. Denn Zeugs für eine Hundertwasser-Mauer gibt es eher weniger im Baumarkt. Warnecke fand auf einer Barbyer Halde jede Menge klosterformatiger Ziegelsteine, die größer (und sehr viel älter) als das heute verwendete „Reichsformat“ sind. (In DDR-Zeiten waren Abrisssteine – des Mangels wegen – sehr begehrt. In Barby bekam Anfang der 80er Jahre ein hundert Jahre alter Reichsbahn-Güterschuppen Beine. Seine gelben Klinker aus kaiserlicher Ziegelei wurden in Eigenheim-Neubauten zu Schornsteinen vermauert!)

Hinzu kamen Kupferschlacke-Würfel, Granitsteine und sogar eine Klamotte, die der Pömmelter im Rucksack vom Brocken herunter schleppte. „Da hat jedes Element seine Geschichte“, grinst er. Auch sogenanntes Überkorn diente einem ovalen Ornament der Formgebung. Überkorn kennen Sie nicht? So werden Steine genannt, die ab 32 Millimeter Größe bei der Kiesgewinnung abfallen.

In einem Fenster strahlt statt Glas feiner Putz. Die hochgebrannten Ziegel der Faschen stammen vom Elektroofen. Blickfänge sind immer wieder runde Elemente, mit denen einst Getreide in Mehl verwandelt wurde. „Einen Teil davon habe ich über eBay im Sauerland gekauft. Da sind wir extra hingefahren“, zeigt Thomas Warnecke auf einen der kleineren Mühlsteine. Doch der größte Mahlstein stammt aus Barby, den ein Vereinsfreund im Garten liegen hatte. „Den in die Mauer zu bugsieren war gar nicht so leicht.“

Sehr persönliche Elemente mit Familiencharakter wurden auch einzementiert und damit manifestiert. Es sind Fußabdrücke, die 1985 in den frischen Beton kamen.

Bei alldem hatte Thomas Warnecke einen Helfer: Vater Heinz übernahm kleine Gestaltungsarbeiten, beispielsweise das Bemalen einer Beton- zu einer Weltkugel. „Da habe ich meinen alten Schulatlas noch mal rausgeholt“, lächelt der ehemalige Lehrer. Erstaunlich zu sehen, wie er mit seinen 95 Lenzen selbstversunken an der Mauer hockte und pinselte.

Nun ist das 15 Meter lange Baukunstwerk fertig. Man wird nicht müde, es immer wieder anzugucken und erkennt neue Details. Herrn Friedensreich Regentag Dunkelbunt würde es gefallen ...

Aber wieso kann ein Kerl wie Thomas Warnecke, der Schlosser gelernt hat, mal Kreisbrandmeister war und heute Ortsbürgermeister, eigentlich mauern? Der „gelernte DDR-Bürger“ guckt verwundert bei dieser Frage: „Das kann doch eigentlich jeder ein bisschen …“