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Opferhilfe 40 Jahre „Weisser Ring“

Der "Weisse Ring" berät seit 40 Jahren Kriminalitätsopfer. Die Außenstellenleiterin im Salzlandkreis, Marion Sagert, im Interview.

Von Ulrich Meinhard 28.09.2016, 14:31

Schönebeck/Staßfurt l Seit 1976 berät der "Weisse Ring" Kriminalitätsopfer. Die Außenstellenleiterin im Salzlandkreis, Marion Sagert und Mitarbeiter Detlef-Henry Scherf berichten im Interview mit Volksstimme Ulrich Meinhard über ihre Arbeit.

Volksstimme: In welcher Stadt im Salzlandkreis unterhalten Sie ein Büro?

Marion Sagert: Bei uns läuft alles telefonisch. Ein Büro gibt es nicht. Wir leiten Anfragen an die Mitarbeiter weiter, die in der Nähe wohnen. Sie kommen dann persönlich zu den Opfern.

Über wie viele Mitarbeiter verfügt der Weisse Ring im Salzlandkreis?

Sagert: Wir sind einschließlich meiner Person insgesamt neun ehrenamtliche Mitarbeiter. Ein Großteil sind Rentner, unter ihnen pensionierte Polizisten und Lehrer, auch Rechtsanwälte sowie Menschen aus anderen Berufsgruppen. Bei den Polizisten gibt es die Motivation, dass sie sich sagen: ‚Damals konnte ich nicht helfen. Jetzt kann ich es.‘ Wir treffen uns alle acht Wochen zum Austausch und um die Hilfsmöglichkeiten in aktuellen Fällen zu besprechen. Es gibt zudem 54 Menschen, die unsere Arbeit im Salzlandkreis durch ihre Mitgliedschaft im Weissen Ring unterstützen.

Detlef-Henry Scherf: Für uns wichtig und hervorhebenswert ist die gute Zusammenarbeit mit dem Schönebecker Kommissariat. Wir legen Wert darauf, dass dort über unsere Arbeit informiert wird, damit sich Kriminalitätsopfer an uns wenden können.

Täuscht der Eindruck, dass es in diesem Land viele Hilfestellungen für Täter gibt, die Opfer aber oft allein gelassen werden?

Sagert: Das ist tatsächlich so. Das lässt sich schon allein daran festmachen, dass ein Opfer bis zur Gerichtsverhandlung keinen Therapeuten in Anspruch nehmen darf. Beim Täter gilt diese Vorgabe nicht. Der Täter bekommt auf jeden Fall einen Anwalt gestellt. Das Opfer hat oft die Befürchtung, dass die Kosten für einen Anwalt nicht zu leisten sind.

Was geschieht dann?

Sagert: Das Erstgespräch kann der Weisse Ring übernehmen. Wir prüfen, ob eine Kostenübernahme möglich ist. Es wird keiner im Regen stehen gelassen, es sei denn, es handelt sich um einen Hochverdiener. Ich möchte darauf hinweisen, dass keine zivilrechtlichen Prozesse begleitet werden, wie etwa ein Nachbarschaftsstreit. Wir stehen nur für Strafprozesse zur Verfügung. Hier kommt auf uns die gesamte Breite der Kriminalität zu, von Kindesmissbrauch, Stalking, Überfall über häusliche Gewalt und Diebstahl bis zu Kapitalverbrechen.

Scherf: Es gibt die Möglichkeit, dass das Gericht dem Opfer einen Anwalt zuordnet. Wichtig ist für die Opfer oft, dass sie einen menschlichen Beistand in ihrer schweren Lage finden.

Kommen Mitarbeiter des Weissen Rings auch mit zu den Gerichtsverhandlungen?

Scherf: Wenn das Opfer es wünscht, ja. Wir begleiten auch zu Behörden, ins Jugendamt oder zur Polizei.

Seit wann gibt es den Weissen Ring im Altkreis Schönebeck?

Sagert: Seit 1991. Seither haben wir, den 2007 gegründeten Salzlandkreis einberechnet, 308 Fälle begleitet, dafür sind 117 050 Euro als Hilfe geflossen. In einem Jahr bearbeiten wir zwischen 20 bis 25 Fälle, in diesem Jahr sind es schon 30.

Wie finanziert sich der Weisse Ring im Salzlandkreis?

Sagert: Durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und Nachlässe. Wir bekommen nichts vom Staat. Wir wollen es nicht, wir wollen unabhängig bleiben. Allenfalls von Bußgeldern, die an Vereine verteilt werden, bekommen wir etwas vom Land.

Suchen Sie noch Mitstreiter?

Sagert: Wir können immer Mitarbeiter gebrauchen, in zwei Jahren haben wir keinen für Aschersleben. Neu ist: Wer mitmachen will, muss ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen.

Scherf: Mitmachen kann im Prinzip jeder. Es gibt einen Grundlehrgang und nach zwei Jahren einen Aufbaulehrgang plus Fortbildungskurse. Bevor unser Landesvorsitzender einen neuen Mitarbeiter beruft, muss der drei Fälle begleitet haben.