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Pilotprojekt Mit Flüchtlingen arbeiten

Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive den Zugang zu einer Beschäftigung ermöglichen: Das ist Ziel eines Pilotprojektes in Calbe.

Von Andreas Pinkert 23.10.2016, 02:33

Calbe l „Seit dem 1. Juni dieses Jahres tragen Asylbewerber aus zwölf unterschiedlichen Ländern zur Verbesserung der Ordnung und Sauberkeit vor Ort, auf Straßen, Plätzen und in öffentlichen Einrichtungen bei“, findet Hans Weber, Geschäftsführer der Gesas GmbH, am Donnerstag im Calbenser Rathaussaal einleitende Worte. „Mit ihrem Wirken unterstützen sie auch die Arbeit kultureller Institutionen“, sagt Weber.

Gemeinsam mit der Ausländerbehörde des Salzlandkreises initiierten die Kommunen Calbe, Barby, Bördeland, Staßfurt, Hecklingen, Schönebeck, Bernburg, Nienburg, Saale-Wipper und Aschersleben das Projekt. Das Ziel: Asylbewerber sollen im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit einer gemeinnützigen und sinnvollen Beschäftigung nachgehen. Grundlage dafür ist das Asylbewerberleistungsgesetz (siehe Infokasten). Über den direkten Kontakt mit Mitarbeitern in den jeweiligen Einsatzstellen soll die Integration verbessert werden.

Für die Koordination sind die beiden kommunalen Arbeitsfördergesellschaften im Salzlandkreis verantwortlich, namentlich die Gesas mbH und die Öseg mbH. Zusätzliche Mitarbeiter für die Sprachmittlung und soziale Betreuung stehen bei der Umsetzung des Konzeptes ebenfalls zur Verfügung, die aus einem Landesprogramm finanziert werden.

„Alles wäre nicht so gut gelungen, wenn die Kommunen nicht derart aktiv mitgewirkt hätten“, lobt Reingard Stephan, zuständige Fachgebietsleiterin im Salzlandkreis. Nicht ohne Grund sind an diesem Vormittag die „Macher des Projektes“, wie Hans Weber es formuliert, mit eingeladen, also Vertreter von Kommunen, die mit den Asylbewerbern vor Ort zusammenarbeiten.

„Ich kann sagen, dass wir generell positive Erfahrungen gemacht haben“, erklärt Frank Berger vom Calbenser Baubetriebshof. Das war der Tenor, dem sich Vertreter der anderen Kommunen anschließen konnten.

„Unsere Teilnehmer waren sehr motiviert, und wir waren überrascht, wie gut sie mit zur Verfügung gestellten Arbeitsgeräten umgehen konnten“, ergänzt Manfred Schön, Geschäftsführer der im Ascherslebener Ortsteil Wilsleben ansässigen Öseg mbH.

„Bei uns im Dorf lebt seit vergangenem November eine große afghanische Familie, und ich bin sehr glücklich darüber“, sagt Uwe Cisewski, Ortsbürgermeister des Bernburger Ortsteils Biendorf. Trotz Sprachbarriere verlaufe die Integration gut. Nicht verschweigen möchte er allerdings auch, dass es nicht alle Dorfbewohner so sehen.

Mit Blick auf die andere Seite der Medaille sprechen die Teilnehmer den Umgang mit kulturellen Unterschieden an. „Familiäre Angelegenheiten stehen über allem und haben stets Vorrang“, nennt Frank Berger ein Beispiel aus eigener Erfahrung. Demnach begleiteten Männer ihre Frauen grundsätzlich zu Arztbesuchen. „Es ist für uns dann schwierig, solche Gepflogenheiten zu ändern“, sagt Berger.

„Teilweise bemerken wir auch Spannungen unter den Teilnehmern, die unterschiedlichen Glaubensrichtungen angehören“, sagt Manfred Schön.

Zu den angesprochenen Problemen gehörte auch, dass eingesetzte Teilnehmer plötzlich ihren Status als Asylbewerber verlieren, wenn dem Asylantrag entsprochen wird. „Dann wechseln die Personen in den Rechtskreis des zweiten Sozialgesetzbuches und damit wechselt auch der Geldgeber“, beschreibt es Hans Weber. Mit der Konsequenz, dass die Tätigkeit in der Maßnahme dann abgebrochen werden müsse. Dieser Entwicklung wolle man entgegen wirken, erklärt Reingard Stephan mit Verweis auf monatliche Gesprächsrunden zwischen Kreisverwaltung und Jobcenter.

Oberbürgermeister Bernd Knoblauch sah im Fall Schönebecks in der Kommunikation zwischen Kommune und Arbeitsfördergesellschaft noch Verbesserungsbedarf. „Phasenweise ist für uns unklar, ob ein Teilnehmer erscheint oder nicht.“

Aufgrund der positiven Erfahrungen sprechen sich alle Kommunen nach Auslaufen des Pilotprojektes zum 30. November dieses Jahres für eine Fortsetzung im kommenden Jahr aus. „Für Calbe kann ich sagen, dass uns die Asylbewerber an vielen Stellen im Stadtgebiet hervorragend unterstützen und daher plädiere ich für eine möglichst ganzjährige Ausdehnung des Projekts“, sagt Bürgermeister Sven Hause. Voraussetzung dafür sei natürlich, dass der Salzlandkreis den Haushalt dahingehend beschließt und dieser dann auch genehmigt werde. „Die Mittel sind angemeldet“, sagt Reinard Stephan. Hause hegt außerdem dahingehend Hoffnungen, dass sich das Salzlandkreis-Projekt mit dem Bundesprogramm der sogenannten Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen - kurz FIM - „verheiraten“ lasse.