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Rosenburg-Ruine Die seltsame Rückkehr der Artefakte

Auf der Rosenburg-Ruine geschehen merkwürdige Dinge. Heimlich werden Dinge zurück gebracht, die mal auf die Burg gehörten.

Von Thomas Linßner 07.07.2016, 17:00

Groß Rosenburg l „Es scheint so, als würden wir so langsam unsere halbe Burg zurück bekommen“, lächelt Karin Keller verschmitzt. Die Vorsitzende des Burg- und Heimatvereins hält ein Fragment der alten Fassade in den Händen, die ihr „ein unbekannt bleiben wollender Herr“ vor die Tür legte. Es ist vermutlich ein Terrakotta-Teil der Burg-Fassade, die im April 1945 unter bis heute ungeklärten Ursachen abbrannte.

Nun will Karin Keller alte Fotos durchforsten, um zu sehen, wo das Teil mal verbaut war. Es befinden sich auf seiner Rückseite Löcher, die der Befestigung dienten. Das Fragment trägt stilisierte Blütenblätter, in der Mitte ragen sie darüber hinaus, so dass es wahrscheinlich eine exponierte Stelle, wie einen Giebel oder ein besonderes Fenster, bekrönte. Im kleinen Burgmuseum finden sich schon ein paar solcher Terrakottas, die aber nicht auf so geheimnisvollem Wege zurück fanden, sondern im Bauschutt geborgen wurden.

Wie Karin Keller erzählt, sei es aber nicht das einzige Teil, das nach Jahrzehnten den Weg zurück fand. In einer Vitrine wird ein kleiner Stapel feinster Herrentaschentücher ausgestellt, die sogar noch von einer Papier-Banderole zusammen gehalten werden. „Das ist ein Dachbodenfund“, weiß Karin Keller. Auch in diesem Fall möchte der edle Spender ungenannt bleiben.

Der Hintergrund: Die zwei Tage lang brennende Burg wurde von der Bevölkerung im April ‘45 geplündert. Auf der geplanten Gauschulungsburg befand sich der sogenannte Reichshilfszug Dr. Göbbels. Hier lagerten Textilien, Medizin, Alkohol, Lebensmittel und andere Dinge, um im Bedarfsfall die Bevölkerung der Region Magdeburg zu versorgen.

Bei den Plünderungen wurde nachvollziehbarer Weise nicht gekleckert, sondern geklotzt. Auf diese Weise fanden die Textilien bündelweise ihren Weg in die Haushalte. „Im Fall der musealen Leinentaschentücher werden die bis zur Erfindung von Kriepa-Taschentüchern gereicht haben.“ Damit meint Karin Keller Kriepa-Zellstofftücher aus DDR-Tagen, das Bückware-Pendant zu „Tempo“.

An diese Zeit erinnert noch eine andere Geschichte, die Otto Jacob (†) aus Barby mal zum besten gab. Der Kriegsheimkehrer hatte es nach schwerer Verwundung nicht leicht, sein täglich‘ Brot zu erwerben. Im Sommer 1946 bescherte ihm das gnädige Schicksal ein paar sturzbetrunkene Rotarmisten, die auf der Klein Rosenburger Fähre eine geheimnisvolle Kiste verloren. Jacob nahm sie heimlich an sich, darauf hoffend, so wertvolle Dinge wie Konserven, Spirituosen oder Tabak darin zu finden. Beim öffnen bekam der junge Mann Stilaugen: Sie war voll von ... Büstenhaltern. „Na, vielleicht hängt davon auch irgendwann mal einer an unserer Museumsklinke“, grinst Karin Keller.