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Umnutzung Deichwachthaus auf Wanderschaft

Das Lödderitzer Deichwachthaus wird in die Dorfmitte umgesetzt, weil der Elbdamm, auf dem es steht, weggebaggert wird.

Von Thomas Linßner 05.06.2017, 10:47

Lödderitz l Natürlich wird TV-Reporter Michael Wasian froh gewesen sein, so ein attraktives Thema für seine Sendung gefunden zu haben. Denn wer baut schon ein kleines Fachwerkhaus ab, um es zwei Kilometer weiter wieder neu zu errichten. Der Reporter hatte in der Volksstimme gelesen, dass der Lödderitzer Heimatverein Großes mit dem kleinen Haus vor hat. Es soll Museum werden, die Exponate der Heimatstube aufnehmen, die infolge Hochwasserschadens abgerissen wird.

Doch vor dem Lohn der Medien-Konsumenten stand erstmal der Schweiß. Derweil die Ton- und Kameraleute ihre Technik bedienten, buckelte der 49-jährige Wasian sperrige Holzbalken, trennte uralte Dachpappe von Schalbrettern und gab hin und wieder nebenbei Regieanweisungen. Also zurück lehnen und die anderen machen lassen, war nicht sein Ding. Man sah es an Wasians verschlissenen Klamotten, die von so manchem Arbeitseinsatz künden.

Das Deichwachthaus wird in diesen Tagen also mehr oder weniger behutsam demontiert. Dem ging ein bürokratisches Hin und Her voraus, das nicht von (Dach-)Pappe war. „Es hat eine Weile gebraucht, bis festgestellt wurde, dass das Häuschen kein Denkmal ist“, winkte Ortsbürgermeister Michael Kromer ab, der zur Abriss-Brigade zählte. Mit ihm hatten sich Hubert Meyer, Karsten Bieler, Steffen Constant und Ingolf Fietz im lauschigen Maienwald zusammen gefunden. Und Ulf Knopf, den man landläufig eher in volksmusikalischer Tracht als Blasmusikant kennt. Nun tummelte er sich in weniger eleganter Kluft auf dem Dach. „In meinem früheren Berufsleben war ich mal Tischler“, erklärte Knopf, der gerade die Dachsparren entzapfte.

Apropos entzapfen: Als Nächstes muss das Fachwerkgestell Stück für Stück gekennzeichnet und demontiert werden. „Die Wetterseite ist ganz schön mitgenommen“, zog Kromer die Stirn kraus. Da werde man einige neue Balken brauchen. Auch Firstbalken zeigen Spuren der Verrottung.

Ingolf Fietz, Bau-Ingenieur, Planer, Heimatvereinsaktivist, Stadtrat und Lödderitzer Rundum-Stürmer schätzte ein, was der Neuaufbau kosten wird: rund 25.000 Euro. Man werde bei Leader - dem Förderprogramm für den ländlichen Raum - einen Antrag stellen.

Doch ehe der dörfliche und mediale Abriss-Trupp zur Tat schritt, wurde das Innenleben des Deichwachthäuschens sicher gestellt. Bis dahin hätte man sofort einen DDR-Film darin drehen können, ohne etwas zu verändern. Je ein Doppelstock- und Einzelbett aus Metallrohr, Holzstühle mit Tisch, ein alter Kanonenofen. Daneben eine grüne Munitionskiste, vor der Braunkohlebriketts lagen. Letztere und ein paar Teelichte stammten von Nachwende-Hochwassern. Sonst nichts.

Auch eine leere Schnapsflasche der legendären und für sich selbst sprechenden Marke „Blauer Würger“ wurde im Schutt gefunden. „Wenn das Hochwasser im Abklingen war, feierte man das“, grinste ein Lödderitzer Zeitzeuge. Schließlich dauerten die Deich-Schichten früher 24 Stunden. Da habe man zuweilen etwas für sein „Gemüt“ tun müssen.

Zum letzten Mal bot das Haus beim Katastrophenhochwasser 2013 den Deichwachen Obdach.

Wo sich die Deichwachen in Zukunft aufwärmen und ausruhen können, ist ungewiss: Auf dem neuen Deich gibt es keine feste Unterkunft.

Heute Abend wird ab 19 Uhr in der MDR-Sendung „Sachsen-Anhalt-Heute“ die Geschichte des Deichhäuschens gezeigt.