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Vor 90 Jahren Elbe fror zu, bizarre Eisblumen blühten

Die gegenwärtige Schnee-Episode weckt in Barby Erinnerungen an zurückliegende Winter mit großer Kälte und viel Schnee.

Von Thomas Linßner 16.01.2017, 00:01

Barby l Vor allem ältere Leute nehmen gern für sich in Anspruch, viele grimmige Winter erlebt zu haben. Das Prädikat „kältester Winter“ im vorigen Jahrhundert gehört allein den Wintern 1928/1929 und 1946/1947. Da war eine zugefrorene Elbe etwas vollkommen Normales.

Das Quecksilber erreichte vor 88 Jahren die Rekordmarke von minus 42 Grad! Der Begriff „Sibirische Kälte“ hatte damals noch nicht die Bedeutung, die er 14 Jahre später bekommen sollte, als deutsche Soldaten Anfang 1943 vor Stalingrad erfroren.

Regional-Historiker beschrieben die Situation 1929 als „kältesten Winter seit 100 Jahren“. Die Elbe war infolge des klirrenden Frostes zugefroren. Flussanlieger des damaligen Kreises Calbe fuhren mit Schlitten und Fuhrwerken über das dicke Eis, um in den ostelbischen Wäldern Holz zu holen. An der Barbyer Fährstelle existierte eine mit Wasser geschüttete Eisstraße. Wegen der katastrophalen Wirtschaftslage Deutschlands waren Kohle und Gas sehr knapp, man bediente sich im Wald. In den Schulen musste wegen Brennstoffmangels der Unterricht ausfallen. Die 1926 eröffnete Straßenbahnlinie Schönebeck-Magdeburg bestand ihre erste Bewährungsprobe bei derart niedrigen Temperaturen. Zentralheizungen waren in jener Zeit noch die große Ausnahme. In den Häusern wurde meist nur eine Stube geheizt, in der man sich aufhielt. Kohle sparen hieß die Devise. Kurz vor dem Schlafengehen platzierte man die Federbetten am Kachelofen, weil in den Schlafzimmern Minusgrade herrschten. Wärmflaschen hatten ebenso wie Eisblumen an den Fenstern Hochkonjunktur.

Apropos, Eisblumen: Sie entstehen an dünnen Fensterscheiben, wenn die Außentemperatur unter null Grad sinkt, die Luftfeuchtigkeit im Raum entsprechend hoch, die wärmedämmende Wirkung des Fensters relativ gering ist. Weil moderne Fenster heute gut isoliert sind, gibt es diese Kunstwerke der Natur kaum noch.

An den Winter 1946/47 werden sich vor allem jene Leute erinnern, die in kalten Notquartieren leben mussten. Das betraf in erster Linie Heimatvertriebene und Flüchtlinge. Es war ein ungewöhnlich kalter und besonders langer Winter in dieser Nachkriegshungerzeit. Er begann Anfang Dezember 1946 und endete Mitte März 1947. Dazwischen stieg das Thermometer nur an fünf Tagen über null Grad.

Im Winter 1953/54 erlebte man an Elbe und Saale 13 Frosttage um den Monatswechsel Januar/Februar. Fröste bis minus 28 Grad am 31. Januar machten den Winter überdurchschnittlich kalt.

Im Winter 1955/56 sank die Temperatur am 31. Januar rapide. Danach herrschte bis zum 28. Februar ein ungewöhnlich kalter Winter mit sehr strengen Frösten, überwiegend unter minus 20 Grad. Niedrigste Temperaturen traten in den Nächten zum 2. und zum 10. Februar mit minus 25 Grad und darunter, auf. Nach viertägigem Tauwetter war der Schnee Anfang März völlig verschwunden. Auf diesen bitterkalten Winter folgte 1959 ein „Jahrhundertsommer“.

Im Winter 1962/63 hatte die Kälte ganz Europa erfasst. Dieser sehr kalte Winter dauerte bis zum 1. März 1963 mit Frösten um minus 20 Grad. Einige Schulen schlossen, weil die Kohlen ausgegangen waren. Sehr zur Freude der Kinder.

Zum Winter 1968/69 gehörte einer der kältesten Dezembermonate des 20. Jahrhunderts. Kein Tag blieb frostfrei. In Barby türmten sich rechts und links der Straßen riesige Barrieren auf: Auf der Fahrbahn schob der Schneepflug, auf den Fußwegen die Anlieger.

Legendär war auch der Winter 1978/79. Am 30. und 31. Dezember fielen rund 25 Zentimeter Schnee, strenger Frost stellte sich ein und noch mehr Schnee. Stromabschaltungen ließen in Teilen der DDR die Bürger im Dunkeln sitzen. In Plattenbauwohnungen entstanden Frostschäden. Die Braunkohleförderung stockte. Aus der Bundesrepublik kamen Steinkohlelieferungen. Erst Anfang März nahm das Tauwetter den Schnee weg.

Das andere Extrem folgte im Winter 1982/83: Dezember und Januar waren in Mitteleuropa frostfrei, es war mild wie nie.

Am 12. Januar 1997 – es war ein sonniger Sonntag – wagten sich die Schönebecker zum ersten Mal nach 34 Jahren wieder über die zugefrorene Elbe. Der hohe „Chemieanteil“ des extrem belasteten Flusses hatte das Zufrieren in den Jahrzehnten zuvor verhindert.

Hart war auch der Januar 2003, wo besonders das Saalehochwasser infolge Eisstau in Calbe gefährlich wurde. Dafür ging der Sommer 2003 als „heißester seit 500 Jahren“ in die Geschichte ein.