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Warnstreik Arbeiter lassen Muskeln spielen

Einen Warnstreik hat es am Dienstag beim Baustoffproduzenten Fermacell im Industriepark Calbe gegeben.

Von Andreas Pinkert 17.08.2016, 01:01

Calbe l „Ihr seid in Sachen Streik die Speerspitze und Vorbild für andere Unternehmen in der Branche“, lobt Mirko Hawighorst, neuer Regionalleiter der IG Bau für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, vor dem Werkstor von Fermacell.

Dort haben sich gegen 13 Uhr Mitarbeiter versammelt, die weiß-rote Streikwesten tragen, Fahnen schwenken und Schilder in Form hochgekrempelter Hemdsärmel tragen mit dem Schriftzug „Wir schaffen das“. Dazu gibt es Erbsensuppe mit Würstchen.

Schnell werden Parallelen zum Frühjahr 2013 deutlich, als die Arbeiter schon einmal bei knackigem Frost an gleicher Stelle ausharrten. „Damals hatte der Streik durchaus Erfolg“, sagt IG Bau-Sekretär Thomas Waldheim. Aufgrund der vielen mutigen Gewerkschaftsmitglieder habe man das Calbenser Werk daher wieder für einen erneuten Warnstreik ausgesucht.

Das expandierende Werk produziert mit seinen derzeit rund 140 Mitarbeitern rund um die Uhr verschiedene Baustoffe für den trockenen Innenausbau und für den Brandschutzbereich. Einen noch so kurzen Produktionsstopp könne sich die Dank voller Auftragsbücher schwer ausgelastete Firma eigentlich nicht leisten, erklärte Werkleiter Stephan Otterbein noch in der vergangenen Woche beim Besuch von Wirtschaftsminister Jörg Felgner und Arbeitsministerin Petra Grimm-Benne (beide SPD).

Damit erhöht nun die Gewerkschaft deutlich den Druck auf die nächste Verhandlungsrunde am 12. September. „Wir scheuen uns nicht vor einer harten Tarifauseinandersetzung“, kündigt Hawighorst unter Applaus an. Zudem seien weitere Streiks bei Betrieben in Sachsen-Anhalt in der Vorbereitung.

Die IG Bau hat für die Beschäftigen in der Beton- und Fertigteilindustrie im Bereich Mitte-Ost und Mecklenburg-Vorpommern einen Forderungskatalog aufgestellt. Demnach sollen neue Tarifverträge

eine Laufzeit von zwölf Monaten haben. Zudem sollen die Löhne in allen Lohngruppen um einen Euro pro Stunde steigen, die Gehälter in allen Gehaltsgruppen um 173 Euro pro Monat und die Ausbildungsvergütung um 100 Euro pro Monat.

Zusätzlich soll im besagten Gebiet ein Tarifvertrag zum zusätzlichen Urlaubsgeld in Höhe von 25 Euro pro Urlaubstag eingeführt werden. Zudem ist eine Anhebung der Jahressondervergütung gefordert.

„Während in Bayern das Brutto-Jahreseinkommen für die gleiche Arbeit bei knapp 40 000 Euro liegt, werden hierzulande rund 28 400 Euro ausgezahlt“, erklärt Thomas Waldheim den Männern vorm Werktor. „Jährlich rund 11 000 Euro weniger im Geldbeutel für die gleiche Arbeit, das ist 26 Jahre nach der Wende nicht hinnehmbar“, meint Waldheim und erntet Kopfnicken. Ein Entgegenkommen der Arbeitgeber wäre auch vor dem Hintergrund einer Fachkräftesicherung in einer strukturschwachen Region ein Zeichen in die richtige Richtung. Das Argument eines möglichen Wettbewerbsvorteils Dank der niedrigeren Personalkosten lässt der Gewerkschafter nicht gelten.

In der ersten Runde legten die Arbeitgeber bei den Löhnen eine schrittweise Erhöhung auf zusätzliche 64 Cent pro Arbeitsstunde vor, bei den Gehältern auf 114 Euro pro Monat. Die Jahressondervergütung solle um 2,5 Prozent angehoben werden. Die Einführung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes lehnen sie ab. „Das ist völlig unzureichend und eine Provokation“, findet Mirko Hawighorst markige Worte. Muss er naturgemäß natürlich auch, schließlich will die IG Bau gestärkt in die nächste Verhandlungsrunde gehen.