Weltkrieg Zeremonie mit Schülern

Auf Einladung des französischen Staatspräsidenten waren Ende Mai sieben Schüler und zwei Lehrerinnen aus Schönebeck in Frankreich.

Von Ulrich Meinhard 08.06.2016, 20:19

Schönebeck l Junge Menschen rennen durch den Wald von Verdun. Trommelklang ist zu vernehmen. Bedrohlich. In der Mitte eines großen Feldes treffen die Parteien aufeinander. Ein Kampf geht los - Mensch gegen Mensch. Der Tod schreitet durch die Reihen. Mit lässiger Handbewegung dirigiert er das große Sterben. Gnadenlos.

Verdun steht stellvertretend für den Wahnsinn des Krieges

Was am 29. Mai dieses Jahres auf den Feldern bei Verdun geschah, war eine ganz besondere Form des Gedenkens. Des Gedenkens daran, was Menschen einander antun können, des Gedenkens an das unendlich sinnlose Leiden, an den unendlich sinnlosen Tod von mehr als 300 000 vor allem jungen Menschen auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges. An diesem Gedenken nahmen aus Sachsen-Anhalt Schüler aus Osterburg und dem Schönebecker Dr.-Carl-Hermann-Gymnasium teil.

Zur Erläuterung: Verdun steht stellvertretend für den Wahnsinn des Krieges. In Verdun erinnerten am 29. Mai Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande mit einem Staatsakt an das Sterben vor 100 Jahren. Damals lieferten sich deutsche und französische Einheiten einen mit modernen Waffen geführten Stellungskampf, der Hunderttausenden das Leben oder die körperliche Unversehrtheit kostete.

Das diesjährige Gedenken hatte der deutsche Regisseur Volker Schlöndorff mit Hilfe von 4000 jungen Menschen aus Frankreich und Deutschland zu einer Inszenierung geformt (siehe im Internet unter www.youtube.de, Stichwort 100 Jahre nach Verdun). Eine Ins-zenierung, die im Nachhinein zumindest in Frankreich vor allem von rechten Parteien als Störung der Totenruhe kritisiert worden ist.

Die Schönebecker Schüler mit ihren beiden Lehrerinnen Antje Wieduwilt und Anke Schmidt beurteilen diese Art des Gedenkens aber positiv. „Mit dieser Inszenierung sollten die Toten vielmehr mitgenommen werden“, verdeutlicht Antje Wieduwilt das Anliegen der Zeremonie, die mit der Anwesenheit der vielen jungen Menschen unter das Motto gerückt wurde „Wir sind da - wir sind jung - wir bleiben“.

Damals auf dem Schlachtfeld, ging es Antje Wieduwilt durch den Kopf, hätten die Soldaten nicht im Traum daran gedacht, dass sich 100 Jahre später junge Menschen aus beiden Nationen vollkommen friedlich gegenüber stehen und jener gedenken, die für den fadenscheinigen Ruf, Kaiser und Vaterland verteidigen zu müssen, ihr junges Leben hergaben.

Die Schönebecker Schüler Pauline Piehl, Eric und Lara Grube, Magnus Zoch und Marvin Wagner (aus der 8. Klasse), Christoph und Alexander Sennst (aus der 9. Klasse) und Marvin Gurr (11. Klasse) äußern sich alle beeindruckt vom Erlebten - nicht nur von der Zeremonie, sondern auch und gerade von der erfahrenen Gemeinschaft. Die Schönebecker und Osterburger Schüler gehörten mit französischen Schülern aus Lyon zur „Gruppe 27“. Sie waren in einem extra errichteten Jugenddorf untergebracht. Kein Luxus. Dafür gegenseitige Gespräche, der Beginn von Freundschaften...

Beeindruckend und nachhallend waren für die Schüler auch vom Deutsch-Französischen Jugendwerk angebotene Workshops, bei denen sich die jungen Leute zum Beispiel in jene Zeit vor 100 Jahren zurückversetzten und einem Frontsoldaten Briefe schrieben. Darin stand dann etwa zu lesen: „Der Fakt, Dein Land zu verteidigen, kostet Dir gerade das ganze Leben.“ Vorgelesen wurden auch originale Feldpostbriefe, in denen die Soldaten ihr Hoffen und Bangen und ihren Glauben ausdrückten - was jeweils auf beiden Seiten ganz ähnlich klang.

Da es in den Tagen Ende Mai viel regnete - eigentlich unaufhörlich - erlebten die Jugendlichen auch jenen berüchtigten Schlamm von Verdun, in dem die Soldaten damals stecken blieben. Beim Warten im Zelt 27 begannen die Schönebecker Schüler zu singen. Und machten so ein Fernsehteam des zweiten Französischen Staatsfernsehens auf sich aufmerksam. Lehrerin Antje Wieduwilt staunte nicht schlecht, als der 17-jährige Marvin Gurr den TV-Leuten redesicher ein Interview gab.

„Das waren nur vier Tage. Aber sie waren sehr intensiv. Das vergisst sicher niemand von uns“, bilanziertAntje Wieduwilt das Gedenken an Verdun mit Schönebecker Beteiligung. Und sie fügt anerkennend hinzu: „Unsere Gruppe war richtig klasse!“

Auserwählt wurden die Schönebecker Schüler vom Landeskultusministerium, weil sie sich in verschiedenen geschichtlichen Projekten engagieren, zum Beispiel in der Arbeitsgemeinschaft Kriegsgräberfürsorge.

Die Zahl der bei Verdun getöteten Soldaten lässt sich nicht eindeutig feststellen. In französischen wie deutschen Quellen ist von etwa 350 000 Menschen die Rede, etwa drei Mal so viele wurden verwundet. Nach der Schlacht von Verdun hatte sich die Frontlinie nur unwesentlich verändert.