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Ziegenhof Kutschbach Die glücklichen Franzosen von Glinde

Die Hühner im Glinder Ziegenhof Kutschbach legen täglich bis zu 60 Bio-Eier. Der Bedarf an Öko-Eiern steigt ständig.

Von Thomas Linßner 21.05.2017, 09:00

Glinde l Donnerstagnachmittag. Die Sonne scheint mit voller Kraft vom Himmel. Das muntere Hühnervolk von Gitte (50) und Steffen (54) Kutschbach hat sich in den Schatten des Bauwagens geflüchtet. Die Tiere haben ihren morgendlichen Job bereits erledigt und Eier gelegt. Steffen Kutschbach hatte zuvor die Nester abgesucht. Bei dieser Dimension reicht noch ein Spankorb aus. Es ist eine Szene, wie man sie seit Jahrhunderten auf dem Dorf sieht. Die Eier kullern nicht wie in großen Legefabriken auf ein Transportband, sondern werden in die Hand genommen. Wenige Stunden später bieten sie die Kutschbachs in der „Eierklappe“ an. Die befindet sich in der öffentlich zugänglichen Hausfassade. Dort kann man jederzeit einfach Eier entnehmen und sein Geld hinterlassen. Nach dem Prinzip: Kasse des Vertrauens. Also können die Kunden auch kommen, wenn sich Gitte und Steffen in den Tiefen der Ställe oder Elbwiesen um ihre Braunen Harzziegen kümmern, die Milch für Käse geben, der allerdings im Hofladen verkauft wird.

Bemühen wir mal eine Information des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt: „Während bei der Eiererzeugung aus Bodenhaltung (- 0,5 Prozent) und Freilandhaltung (- 2,0 Prozent) ein leichter Rückgang zu verzeichnen war, erhöhte sich die Eierproduktion in der ökologischen Haltungsform um 11,9 Prozent (+ 6,3 Mill. Eier) gegenüber dem Vorjahr. Bei der ökologischen Erzeugung blieb die Anzahl der Betriebe mit sieben gleich, aber die Auslastung der Haltungskapazität erhöhte sich um drei Prozentpunkte.“

Bioartikel sind längst keine Nischenprodukte mehr. Das merken die Kutschbachs, die seit Jahren einen Ziegenhof betreiben und sich vor einem Jahr ein zweites Standbein mit ihrem 70-köpfigen Hühnervolk aufgebaut haben. „Wir hätten uns das nicht träumen lassen: Die Eier sind jeden Tag ausverkauft“, winkt Gitte Kutschbach mit einer Mischung von Vergnügen und Erstaunen ab. Deswegen plane man zu expandieren. „Wir wollten im vergangenen Jahr erst mal gucken, wie das läuft mit den Hühnern“, erinnert sich Steffen Kutschbach. Schließlich sei man neu in dem Fach gewesen. Und gleich im Premiere-Jahr kam die Vogelgrippe hinzu, die das Hühnervolk zur Stallpflicht verdonnerte. „Wir haben ein großes Folienzelt aufgebaut, damit die Hühner wenigstens ein bisschen Auslauf hatten“, erzählt der 54-Jährige.

Das aber ist Geschichte. Nun blicken die Glinder in die Zukunft und planen eine zweite mobile Unterkunft. Bislang ist es ein umgebauter Wohnwagen, der nach alter Cowboy-Art weiterzieht, wenn die Pacht-Weide abgefressen ist. Kutschbachs glückliche Gackerer zählen zur weiß gefiederten französischen Rasse Les Bleus, weil sie blaue Beine haben. Sie tragen zudem den Status „Zweinutzungshuhn“: Eine Hühnerrasse, bei der die weiblichen Tiere als Legehennen und die männlichen als Masthähnchen Verwendung finden. Ein Thema, mit dem sich die Forschung im Ökolandbau seit einiger Zeit beschäftigt. Nach zwei Jahren Eierlegerei landen die Hennen im Topf. Nach glücklichen Monaten auf den Glinder Auenweiden. Hinzugekommen ist die alte Haustierrasse Sachsenhuhn, die ihren Ursprung im Erzgebirge hat. Jede Rasse hat ihren eigenen Chef, der quasi Hahn im Korbe ist und für Nachwuchs sorgt.