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Neues Projekt Mutter mit 15 – und nun?

Wie ist das, wenn Kinder Eltern werden? Wie gehen sie mit dieser Verantwortung um? Ein neues Projekt will Antworten finden.

Von Egmar Gebert 05.08.2015, 01:01

Stendal l Laura, Juliane, Michelle und Mailin. Vier Mädchen, zwischen 13 und 16 Jahre jung, die in drei verschiedene Stendaler Schulen gehen. Was sie gestern im Projektraum der Pestalozzischule zusammenführte, war die „Geburt“ ihrer Kinder. Jadon, Jacob und Chantalle sind die Namen der Babys, die ihnen ihre „jungen Mütter“ gaben.

Genau genommen sind diese Säuglinge Puppen, in deren Innerem sich Computer befinden. So programmiert, dass sie genauso reagieren wie Neugeborene. Sie schreien, wenn sie Hunger haben, müssen ihr „Bäuerchen“ machen, nachdem sie die Flasche bekommen haben. Sie weinen, wenn die Windeln voll sind. Sie glucksen zufrieden im Schlaf, und sie tun all das – wie im echten Babyleben – genau dann, wenn ihnen danach ist, und genau so lange, bis ihre junge Mutti das jeweilige Bedürfnis des oder der Kleinen befriedigt hat. „RealCare-Babys“ heißen diese computergesteuerten Babysimulatoren und sie sind Teil eines neuen Projektes der Schulsozialarbeit, das gestern an der Stendaler Pestalozzischule startete.

„Viele junge Mädchen finden Babys süß. Alles ist schön. Aber sie vergessen, dass so ein Baby eine riesige Verantwortung bedeutet. Da ist es schon sinnvoll, dass sie erleben, was es wirklich heißt, ein Baby zu haben“, erläutert Birgit Grosser-Schumann, warum sie sowie ihre Kolleginnen Anna Richter und Johanna Weniger – alle drei sind Schulsozialarbeiterinnen an der Pestalozzischule – sich um dieses Projekt bemüht hatten. Mit dem grünen Licht vom Diakoniewerk Osterburg, dem Träger der Schulsozialarbeit, konnten dann auch die drei Babysimulatoren angeschafft werden und das Projekt gestern starten.

Die Mädchen, die daran teilnehmen, gehörten zu den ersten, die von den Sozialarbeiterinnen davon erfuhren – nicht nur in der Pestalozzischule, sondern auch im Winckelmann-Gymnasium und in der Diesterwegschule. Während einer Vorabveranstaltung und mit entsprechenden Briefen wurden die Eltern der Mädchen über das Projekt informiert, dass nur mit deren Zustimmung anlaufen konnte. „Schließlich sind sie ja auch eingebunden. Ihre Kinder wohnen bei ihnen und bringen dann plötzlich dieses Baby mit“, schildert Birgit Grosser-Schumann die Situation.

Ihre Mutti sei sofort dafür gewesen, sagt Michelle. Die 15-Jährige möchte „beruflich mal was mit Kinderpflege machen“ und, wie die anderen drei im Projekt, natürlich auch eigene Kinder haben. „Aber erst mal ist die Schule wichtiger“, sind die vier sich einig.

So schlüpften Laura, Juliane, Michelle und Mailin gestern in die Rolle junger Mütter, die der betreuenden Hebammen übernahmen Anna Richter und Birgit Grosser-Schumann. Sie übergaben den Mädchen gestern „ihre“ Babys, dazu je ein Armband, über dessen Chip sie mit dem Computer im Babysimulator kommunizieren können – und müssen. Schon nach der ersten halben Stunde der Einweisung kommt Michelle zu dem Schluss: „Ich hab‘s mir leichter vorgestellt.“ So langsam wird den Mädchen bewusst, wie groß die Verantwortung ist, die sie an den kommenden drei Tagen und in den nächsten drei Nächten tragen. Doch Anna Richter beruhigt: „Es gibt keine perfekten Eltern. Jeder macht mal Fehler.“ Hinzu kommt, dass die Mädchen in den Tagen ihrer „Mutterschaft“ nicht allein gelassen sind. Heute werden sie mit ihren „Hebammen“ einkaufen gehen. „Wir tun nur so als ob, aber die Mädchen werden erfahren, was es kostet, ein Baby zu versorgen“, sagt Birgit Grosser-Schumann. Tag drei in der Mütterrolle werden Laura, Michelle, Juliane und Mailin allein mit ihren Babys verbringen, abgesehen vom Hausbesuch der Hebammen. Und am Freitag wird dieses erste Projekt „Mütter im Praktikum“ ausgewertet.

Auch für die beiden Schulsozialarbeiterinnen ist das eine Premiere. Aber wie das mit Premieren so ist: Ihnen sollen weitere „Vorstellungen“ folgen. Birgit Grosser-Schumann könnte sich vorstellen, so ein Projekt auch einmal während der Schulzeit durchzuführen oder die Teilnehmer als Paare agieren zu lassen. Schließlich gibt es zu jedem Kind ja auch einen Vater...