24 Stunden Stadtsee Mit dem Zug zur Bahn

Serie: Die Volksstimme zu jeder Stunde des Tages einen anderen Akteur aus Stendal-Stadtsee besucht. Heute: Pendler am Stadtsee-Bahnhof.

Von Thomas Pusch 08.08.2015, 01:01

Stendal l Es ist noch früh am Morgen, die meisten der 11  100 Stadtseebewohner schlafen noch, aber Klaus Albustin ist bereits gut aufgelegt. „Ich warte hier auf einen Kollegen, der mich abholen soll“, sagt er. Albustin arbeitet für ein Bahnsicherungsunternehmen, gehört zu dem Trupp mit gelben Westen und Tröte, die für die Sicherheit der Bahnarbeiter bei Gleisarbeiten verantwortlich sind. „Wir haben meistens Nacht- oder Frühschicht, eben dann wenn nicht so viele Züge fahren“, beschreibt er. Und das heißt: arbeiten zu extremen Zeiten und nicht unbedingt in der Nähe vom Wohnort.

Diesen Morgen ist Albustin aus Letzlingen nach Stendal gekommen, am nächsten Tag geht es nach Schönebeck.“Wir arbeiten da, wo die Gleise liegen, ich war schon am Rhein genauso wie in Bayern“, zählt er auf. Aber in zwei Jahren ist Schluss, meint der 63-Jährige und hält nach seinem Kollegen Ausschau.

An Gleis 2 wartet Frank Weber auf die Regionalbahn nach Wittenberge. Er arbeitet als Elektriker im dortigen Bahnwerk. „Ich pendle schon seit 2000, man gewöhnt sich an das frühe Aufstehen“, sagt er. Sein Kollege, der im Lager bei der Bahn arbeitet, ist auch schon seit 15 Jahren Berufspendler. Und schon seit 1971 bei der Bahn. „Ich habe schon viel erlebt, aber es ist nichts besser geworden“, meint er und zeigt auf die Fahrgastinformation. Dort wird zwar die Uhrzeit angezeigt, nicht aber die Information, dass die Züge nach Wittenberge ausnahmsweise von Gleis 2 fahren. „Sehen Sie“, fühlt er sich bestätigt.

Das Ehepaar Haake hat noch im Auto gewartet. Erst kurz vor der Abfahrt kommen Andreas (52) und Marion (50) auf den Bahnsteig. Auch sie wollen nach Wittenberge, sind für die Bahn tätig. Er arbeitet als Schlosser, sie in der Logistik. Schnell steigen wie knapp zehn andere Fahrgäste sie in den Zug und dann sind von RB 17802 nur noch die roten Lichter zu sehen. Es kehrt wieder Ruhe ein am Stadtseebahnhof.

Das Summen der Neonröhren in dem mit Graffiti beschmierten Bahnhofstunnel und ein in der Ferne rufender Kuckuck sind die einzigen Geräusche im noch verschlafenen Stadtsee. Dann biegt ein kleiner Bus der Stadtlinie auf den Bahnhofsvorplatz ein.

Am Steuer sitzt Dana Miehe. Ihre Schicht hat bereits um zehn nach vier begonnen. An der Haltestelle Stadtseebahnhof setzte sie ein. Um 4.34 Uhr ging es dann zum Hauptbahnhof und von dort auf die große Runde durch die Stadt. „Fahrgäste waren heute nicht dabei, aber das ist zur frühen Tour meistens so“, meint die 41-Jährige freundlich lächelnd. Auch um 5.27 Uhr steigt niemand in ihren Bus und so fährt sie allein in Richtung Hauptbahnhof.

Dann kommt Sibylle Lüdecke auf den Bahnhof. Sie arbeitet im Vertrieb der Volksstimme in Magdeburg, will mit dem 5.51-Uhr-Zug in die Landeshauptstadt fahren. „Das mache ich jeden Tag, seit zehn Jahren“, schildert sie. Damals zog sie von Magdeburg nach Borstel, der Liebe wegen. Natürlich sei es eine Menge Zeit. „Richtig schlimm ist es aber, wenn die Bahn streikt, ich mit dem Auto fahren muss, was zusätzliche Kosten bedeutet, das sieht immer keiner“, erklärt die 58-Jährige. An diesem Morgen kommt der Zug aber, und zwar pünktlich. Auch Angelika Lemme (52) fährt mit. „Ich muss auch zur Arbeit, sonst würde ich gar nicht so früh aufstehen“, meint sie schmunzelnd. Sie ist bei der Berufsgenossenschaft Bau tätig, vom Magdeburger Hauptbahnhof hat sie noch zehn Minuten Fußweg vor sich.

Der Zug ist gut gefüllt. „Der hier geht aber noch, der nächste ist schlimmer“, meint der Lokführer aus dem Führerstandfenster. Der nächste fährt um 6.51 Uhr, dann ist die Stunde am Stadtseebahnhof schon vorbei.