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Sparkassenskandal Eine Aufsicht ohne Kontrolle

Der Auftritt des Ex-Landrats Jörg Hellmuth vor Gericht bietet Einblicke in das Versagen des Sparkassen-Verwaltungsrates.

11.08.2015, 19:25

Stendal l Über die Sparkasse redet der CDU-Bundestagsabgeordnete nicht gerne. Journalisten gegenüber verweist Jörg Hellmuth bei Fragen auf seine Verschwiegenheitspflicht als Amtsträger. Selbst vor dem Landgericht, wo ihn Ex-Sparkassenchef Dieter Burmeister als Zeuge für seine Klage gegen die Einstellung der Versorgungsbezüge benannt hatte, berief er sich im April darauf – durchgekommen ist er damit nicht (Volksstimme berichtete).

Im zweiten Anlauf Anfang Juli ging es dann bei dem knapp 40-minütigen Auftritt um Burmeisters Dienstwagen. Hellmuth sagte dazu wenig Erhellendes. Im Kern: Von den häufigen Wechseln will er nichts mitbekommen haben, und ob Burmeister damit Verträge gebrochen habe, mochte der langjährige Verwaltungsratschef nicht bewerten.

Interessant ist indes, was Hellmuth bei den Fragen von Richterin Haide Sonnenberg nicht sagte.

Wie oft habe er als Verwaltungsratsvorsitzender denn mit Burmeister zu tun gehabt, wollte die Richterin wissen. Hellmuth verwies auf die vierteljährlichen Sitzungen des Gremiums. „Manchmal“ hätten Burmeister und er diese erst „am gleichen Tag vorbereitet“.

2008 in Zeiten der Finanzkrise sei er häufiger zur Sparkasse gefahren, räumte er dann ein. Sonnenberg: „Wie oft?“ Hellmuth: „Da waren es wohl zwei Mal im Quartal.“

Mit den Fragen wollte das Gericht herausbekommen, ob der damalige Landrat den häufigen Dienstwagenwechsel wahrgenommen haben müsste. Denn dessen Parkplatz mitten auf dem Gelände war kaum zu übersehen – auch wenn sich da manch Sparkassen-Mitarbeiter, und auch Hellmuth, vor Gericht nicht so eindeutig erinnern wollten.

Was Jörg Hellmuth indes bei seiner Befragung des Gerichts außen vor gelassen hatte, ist seine Funktion als Vorsitzender des Kreditausschusses. Und der tagte zu Burmeisters Zeiten etwa sechs Mal im Jahr – mit dem Sparkassenchef und mit gemeinsamer Vorbereitung. Und diese ist angesichts der sensiblen Materie durchaus umfangreicher. Etwa ein monatlicher Besuch bei der Sparkasse müsste es damit im Schnitt schon gewesen sein.

Dass sich Hellmuth zuletzt nur an Mercedes-Modelle der E-Klasse bei offiziellen Auftritten von Burmeister erinnern kann, dürfte für das Gericht ein Fingerzeig sein, dass es da ein Nebeneinander von zwei Dienstwagen gab: eine seriöse Limousine zum Repräsentieren und ein sportlicherer Geländewagen mit Anhängerkupplung. Wenn dies bewiesen werden kann, hätte Burmeister gegen Verträge verstoßen.

Doch Hellmuths wenige Sätze im Gerichtssaal beleuchten ein viel größeres Dilemma: Eine wirkliche Kontrolle des Sparkassen-Vorstandes fand offenbar gar nicht statt.

„Wie lief es bei Bauvergaben im Verwaltungsrat ab?“, war eine Frage. Da habe der Vorstand in der Sitzung „ein Grobkonzept vorgelegt“, sagte Hellmuth. „In der Regel per Power Point.“ Vorgetragen habe der Vorstandschef. Dann sei auch diskutiert worden. Dadurch sei das umstrittene Schulungszentrum auch etwas kleiner ausgefallen und die Abrechnung dem Gremium vorgelegt worden.

Verbrieft ist von damaligen Teilnehmern, dass allzu kritische Nachfragen oder gar Widerspruch von Burmeister und seinen engsten Vertrauten regelrecht abgebügelt worden seien. „Am Ende haben wir nur noch abgenickt“, sagt ein Mitglied von damals.

Diese Gemengelage dürfte der Nährboden sein, der den Stendaler Sparkassenskandal erst möglich gemacht hat. „In den Sparkassen selbst hat der Verwaltungsrat die Aufgabe, die Geschäftsführung zu überwachen“, heißt es klar aus Sachsen-Anhalts Finanzministerium, das die Rechtsaufsicht über die Kreditinstitute hat.

Jörg Hellmuth hingegen sagte vor zwei Jahren nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Burmeister: „Die Aufgabe des Verwaltungsrates liegt ohnehin in der strategischen Ausrichtung der Sparkasse, nicht in deren Prüfung.“

Die ehemalige Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke (SPD) war bislang eine der wenigen im politischen Betrieb, die an ihrer Stelle einen Ex-Banker im Sparkassen-Verwaltungsrat installiert hatte. „Ich verzichtete damit auf eine ansehnliche Aufwandsentschädigung, hatte aber das gute Gefühl, dass nun ein Fachmann im Verwaltungsrat saß, dem gegebenenfalls Fehlentwicklungen aus eigener Kenntnis auffallen würden“, schreibt sie in ihrem Buch „Volles Risiko“ (siehe Artikel auf dieser Seite).

Wie häufig Hellmuths Nachfolger Carsten Wulfänger (CDU) mit dem heutigen Sparkassen-Chef Jörg Achereiner zusammentrifft, will der Landrat nicht in Zahlen fassen: „Der Vorstands- und der Verwaltungsratsvorsitzende der Kreissparkasse treffen sich so oft die Notwendigkeit dafür besteht“, antwortete die Pressestelle.

Nunmehr gibt es aber einmal jährlich eine ganztägige Schulung für die Verwaltungsratsmitglieder – organisiert von der Sparkasse.