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Stendaler Tafel Bedürftige werden immer jünger

Neben Eltern und Rentnern kommen auch viele Jüngere zur Tafel in Stendal. Diese feiert im Oktober ihr 10-jähriges Bestehen.

Von Egmar Gebert 09.10.2015, 01:01

Stendal l Die Geburtsstunde der Stendaler Tafel schlug am 1. Oktober 2005. Und „wir“, das war eine Handvoll engagierter Frauen und Männer, die wie Bärbel Kohl eigentlich nur eines wollten: Helfen, wo Hilfe gebraucht wurde. Es mit einer Lebensmittel-Ausgabestelle zu tun, die Anregung dafür kam aus dem Stendaler Kirchenkreis. Es habe eine Versammlung gegeben, so im März 1995 müsse das gewesen sein, und sie sei hineingegangen. Nicht ahnend, dass sie als künftige Organisatorin der Stendaler Tafel wieder herauskommen würde.

Bärbel Kohl, die ehemalige Krankenschwester, war damals Anfang 60, und nicht abgeneigt, ihren gerade erst beginnenden Ruhestand eine neue sinnvolle Aufgabe zu geben. Und dann saß sie da, an dem Tisch in der Kirchengemeinde, hörte aufmerksam zu, stellte Fragen, machte Anregungen. „Es war wohl zu merken, dass ich Interesse hatte und da hat mich gefragt. Mitmachen, ja, das schon, aber als Chefin, das eigentlich nicht.“

Bekanntlich kam es anders. Im Oktober öffneten sich die Türen der Stendaler Tafel, zwar noch nicht an heutiger Stelle, aber auch schon in dem Flachbau in der Adolph-Menzel-Straße - nach einem halben Jahr des intensiven Vorbereitens, des Vorfühlens bei Stendaler Lebensmittelmärkten, des Organisierens von Räumen, die sich schließlich beim Paritätischen fanden, unter dessen Dach die Stendaler Tafel im Oktober vor zehn Jahren die ersten Lebensmittel ausgab.

Anfangs seien es vor allem Spätaussiedler gewesen, die zur Tafel kamen. Inzwischen hat sich das Bild geändert. „Jüngere Bedürftige kamen hinzu, Familien mit mehreren Kindern, alleinerziehende Mütter, aber auch viele Rentner, die wir anfangs nicht hatten, kommen heute zur Tafel“, sagt Bärbel Kohl mit nachdenklichem Unterton.

Waren es damals etwa 70 Leute, die an denn Ausgabe-Sonnabenden vor der Tür der Stendaler Tafel standen, sind es heute 200 Frauen und Männer, die Lebensmitteln abholen. „Und hinter jedem steht ja meist eine Familie, die versorgt sein will“, weiß die Tafel-Leiterin. Auf diese Weise hilft die Stendaler Tafel heute rund 600 Stendalern. Dazu kommen noch einmal rund 300 Menschen im Landkreis, die über die Ausgabestellen der Stendaler Tafel in Tangermünde, Osterburg und Tangerhütte versorgt werden.

Dass die Stendaler Tafel das leisten könne, verdanke sie einer ganzen Reihe von Partnern, sagt Kohl, spricht von rund 30 Anlaufstellen, von denen die Woche über mit zwei Kleintransportern Lebensmittel abgeholt werden können. Und sie spricht mit ebensolcher Dankbarkeit von ihren Mitstreitern, wie sie selbst überwiegend ehrenamtlich engagierte Frauen und Männer.

Wenn Bärbel Kohl zum zehnten Geburtstag der Stendaler Tafel einen Wunsch frei hätte, dann diesen: „Ich würde mir wünschen, dass es die Stendaler Tafel in zehn Jahren nicht mehr geben würde, weil man sie nicht mehr braucht. Ist unrealistisch, aber wünschen darf man sich es doch, oder?“ Und noch etwas wünscht sie sich mit dem Blick voraus auf die kommenden Jahre: „Das auch die Flüchtlinge, die jetzt zu uns kommen, integriert sind, eine gewisse Normalität eintritt.“

Heute feiert die Stendaler Tafel ihr zehnjähriges Bestehen im Stendaler Rathaus. Bärbel Kohl wird sich dann ins Goldene Buch der Stadt eintragen.