Karneval 1955: Leinen los am Narrenschiff
Dokumente und Sammlerstücke im Stendaler Stadtarchiv erzählen Geschichte. Heute: Ein Fotoalbum vom ersten Stendaler Karneval.
Stendal l Der 11. November ist zwar Auftakt der Karnevalssaison, aber abseits der Rathausschlüssel-Übergabe an die Narren offenbart sich das eigentliche Karnevalsgeschehen erst auf den Prunksitzungen im Januar und Februar. In Stendal gab es eine solche Sitzung erstmals am 15. Januar 1955 – es war die Geburtsstunde des Stendaler Karnevals. Unter dem Motto „Stendal – et lewt“ schipperte der Elferrat auf dem Narrenschiff „Altmark“ durch den Raw-Kultursaal.
Die entsprechenden Fotos dazu zeugen von einem stimmungsvollen, gelungenen Auftakt. Stadtarchivleiterin Simone Habendorf hat ein ganzes Album im Fundus, das 1955 von Elferrat-Mitglied Paul Wrycza zusammengestellt wurde. Hilfe hatten sich die Stendaler für ihre erste Sitzung offenbar bei Experten geholt: „Von Kölnern und Stendalern veranstaltet“ ist nämlich auf der ersten Seite des Fotoalbums zu lesen.
Gelungen scheint die Premiere jedenfalls zu sein. In der Volksstimme vom 19. Januar 1955 gibt sich die Berichterstatterin regelrecht erstaunt, wie vergnüglich es zuging. „So ausgelassen und lustig und mit kessen Hütchen auf dem Kopf habe ich die Stendaler überhaupt noch nicht gesehen. Nun soll mir noch einer etwas erzählen, die Altmärker wären stur!“ Dass für eine der folgenden Sitzungen via Volksstimme auf „Kappen- und Weinzwang“ hingewiesen wurde, „denn die fröhliche Weinstimmung ist viel schöner, als sich mit Bier und Schnaps ‚volllaufen‘ zu lassen“, schien die Feierlust nicht zu beeinträchtigen.
Die Karnevalslaune in Stendal hielt allerdings nicht lange an: 1956 gab es vorerst die letzte Session, und dann wurde erst wieder ab den 70er Jahren gefeiert. Heute ist der Wahrburger Carneval Club (WCC) der Verein, der das karnevalistische Treiben mit jährlich zwei Prunksitzungen und einer Kinderkarnevalsveranstaltung aufrechterhält. Der Stendaler Carnevalsverein (SCV) veranstaltet seit einigen Jahren statt Prunk und Sitzung die Crazy-Dance-Faschingsparty.
Was es heute aber nicht mehr gibt, ist ein Rosenmontagsumzug. Auch der wurde 1955 erstmals organisiert, mit 30 geschmückten Festwagen und „viel Fußvolk im närrischen Kostüm“.
