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Asylpolitik Mit Fakten gegen Vorurteile angehen

Experten aus Verwaltung und Behörden stellten sich In Stendal den Fragen der Bürger zum Thema Asyl.

Von Bernd-Volker Brahms 27.11.2015, 00:01

Stendal l Ein Sprachgewirr beherrschte die Atmosphäre des Sitzungssaals im Landratsamt am Mittwochabend. 150 Menschen waren zum ersten Stendaler Bürgerdialog gekommen und diskutierten an verschiedenen Tischen zum Thema Flüchtlinge.

Für konkrete Fragen standen Michael Richter (CDU), Staatssekretär im Innenministerium, der zweite Beigeordnete des Landrates, Sebastian Stoll, die stellvertretende Leiterin des Jobcenters, Gisela Korkus-Kurowski und Stendals Polizeirevierleiter Carsten Töpfer parat. Sie hatten in kurzen Eingangsstatements ihren Teil des Themas beleuchtet.

So erläuterte Richter, dass derzeit etwa die Hälfte der Flüchtlinge aus Syrien kommt, die Afghanen mit gut 20 Prozent die zweitstärkste Gruppe stellen. Stoll sagte, dass noch mit 405 weiteren Asylbewerbern bis zum Jahresende im Landkreis Stendal zu rechnen sei. Die Zahl der Neuankömmlinge habe sich bei 80 bis 100 pro Woche eingepegelt.

Korkus-Kurowski betonte, dass Flüchtlinge nicht nur etwas zu essen und einen Platz zum Schlafen brauchen, sondern auch Arbeit. Sie seien aber nicht die Fachkräfte von morgen, sondern von übermorgen. „80 Prozent sind ohne formale Qualifikation, aber sie bringen Fleiß und Lernwille mit“, sagte sie. Töpfer versicherte, dass es durch die Flüchtlinge nicht zu einer Veränderung der Sicherheitslage gekommen sei. Bislang seien in diesem Jahr 6169 Straftaten verübt worden, 2014 waren es 6500. Von 2717 Verdächtigen seien lediglich 182 Ausländer gewesen.

Beim Bürgerdialog gab es auch ganz persönliche Gespräche. So wollte der 22-jährige Flüchtling aus Afghanistan Ali Qaiser Hosseini unbedingt dem Oberbürgermeister sagen, dass sein Land nicht vergessen werden solle. Natürlich wolle er die Situation in Syrien nicht damit vergleichen, „aber in meiner Heimat ist seit Jahrzehnten Krieg, das darf nicht als sicher erklärt werden.“ Klaus Schmotz (CDU), der zu der Veranstaltung eingeladen hatte, hörte sich das an und meinte: „Ich neige dazu, Afghanistan nicht als sicheres Land zu sehen und hätte kein gutes Gefühl, den Mann zurückzuschicken.“ „Das nehme ich mit nach Berlin“, sagte Bundestagsabgeordnete Katrin Kunert (Die Linke), die ebenfalls am Tisch saß.

„Es waren ja eigentlich nur die Guten da“, meinte Schmotz im Gespräch mit der Volksstimme. Zwar habe er sich auch anhören müssen, dass es Hochverrat sei, was die Regierung betreibe und dass eines Tages die Deutschen gegen die Männer kämpfen müssten, die jetzt ins Land kommen, allerdings sei die Veranstaltung von denjenigen geprägt gewesen, die sich für Flüchtlinge engagieren, ihnen positiv gegenüberstehen.

Eine Arbeitsgruppe hatte die Veranstaltung in mehreren Sitzungen vorbereitet. Moderiert wurde sie durch Katrin Reimer Gordinskaya, Professorin an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

In den einzelnen Diskussionsgruppen wurden sehr konkrete Fragen behandelt. So warf Hans-Jürgen Kaschade ein, dass er eine Generalversicherung für Flüchtlinge vorschlage, um es Arbeitgebern überhaupt schmackhaft zu machen, diese Menschen einzustellen. „Zu glauben, dass alle in Arbeit gebracht werden können, ist eine Illusion“, sagte Kaschade. An mehreren Tischen wurde auch thematisiert, dass Deutschland Waffen ins Ausland liefert und dadurch möglicherweise mitverantwortlich für die Flüchtlingsströme ist. Thema waren auch Probleme bei Deutschkursen.

„Wir haben alle Bedenken“, sagte CDU-Stadtrat Thomas Weise als einer der Diskussionsleiter. „Trotzdem bin ich bei der Kanzlerin und sage, wir schaffen das.“

Schmotz kündigte weitere Veranstaltungen für das kommende Jahr an.