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Altmark-Netzwerk Wenn Trauer das Leben verrückt

Das Trauernetzwerk Altmark gibt es seit einem Jahr. Es bietet Trauernden Hilfe und Orientierung, Gespräche und Austausch.

Von Nora Knappe 28.11.2015, 00:01

Stendal l Wer trauert, muss manchmal einfach allein sein. Aber manchmal eben besser nicht. Diesen Gedanken, dieses Bewusstsein haben Angelika Beyer, Dorothee Oesemann und Ulrich Paulsen seit vielen Jahren verinnerlicht. Denn Trauer gehört zu ihren Berufen – ob als Seelsorger im Krankenhaus, Trauerrednerin oder Hospiz-Leiter.

Ihre langjährigen Erfahrungen wollen die drei nicht nur in ihren jeweiligen Tätigkeitsfeldern einbringen, sondern eben zusammenführen. Darum haben sie vor einem Jahr das Trauernetzwerk Altmark gegründet. Es bietet persönliche Gespräche, den Kontakt zu anderen Betroffenen, Austausch, den Blick eines Außenstehenden und vor allem: Geduld.

Wer trauert, überfordert manchmal damit auch seine Umwelt. Sogar die näheren Verwandten. Da können dann die erfahrenen „Trauer-Wegweiser“ vom Netzwerk zur Seite stehen. Denn nicht immer weiß man, wer nun in welcher Situaton der richtige Ansprechpartner ist. Ob man überhaupt jemanden mit seinen Sorgen und Emotionen belasten soll. Und darf.

An die Nummer des Hospizes 03931/218337 als erste Anlaufstelle kann man sich 24 Stunden am Tag wenden. Wohlgemerkt, Telefonseelsorge gibt es unter dieser Nummer nicht. Aber: Hilfe, um den richtigen Ansprechpartner zu finden – Orientierung und Wegweisung in einer verworrenen Situation. Sei es, dass es ein akuter Fall von Trauer ist, sei es, dass sie nach Jahren wieder aufbricht, sei es, dass man einen Trauernden unterstützen möchte.

Das Netzwerk bietet Hilfe für Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Und nicht immer geht es dabei um Trauer nach einem Todesfall. Dorothee Oesemann, Trauerrednerin und Mitwirkende im Projekt Löwenherz, sagt: „Auch Kinder, deren Eltern sich getrennt haben, trauern. Um den einen Elternteil, den sie nun nicht mehr bei sich haben.“

Trauer, so die Botschaft der drei Netzwerkpartner, ist ganz individuell. „Jede Reaktion ist möglich und nicht zu bewerten“, sagt Hospiz-Geschäftsführer und Krankenhausseelsorger Ulrich Paulsen. „Wenn andere zu einem Trauernden sagen, er sei doch nicht normal, nur weil er noch nicht darüber hinweg sei, dann sagen wir: Doch, er ist normal.“ Denn es seien normale Reaktionen auf ein unnormales Ereignis. „Durch Trauer wird das Leben im wahrsten Sinne ver-rückt“, sagt Krankenhausseelsorgerin Angelika Beyer. Das Leben, aber eben nicht der Mensch. Trauer sei keine behandlungsbedürftige Krankheit.

Die Advents- und Weihnachtszeit mache es vielen besonders schwer. „Es erinnert einfach alles an den Verstorbenen, an alles, was man sonst gemeinsam gemacht hat“, weiß Angelika Beyer, die die Gruppen für verwaiste Eltern leitet. Da kann Gemeinschaft gut tun.

So wie auch am Totensonntag. Wer da das Angebot des gemeinsamen Gangs zu Gräbern auf dem Stendaler Friedhof wahrgenommen hat, der ist dabei mit dem Trauernetzwerk in Berührung gekommen. Manch einer ganz gezielt, manch einer eher zufällig, weil er gerade am Grab eines Verwandten stand und vielleicht mitbekommen hat, wie da eine Gruppe von 15 Menschen an anderen Gräbern Liedverse sang und Kerzenlichter aufstellte.

Der Friedhof als Ort der Trauer, des Erinnerns, der stillen Einkehr – das ist eigentlich nicht neu. Und gerät womöglich doch manchmal in Vergessenheit. „Trauer muss nicht zurückgezogen passieren, dafür ist ein Friedhof ja da, es ist ein öffentlicher Raum“, sagt Ulrich Paulsen. Und da fällt Dorothee Oesemann ein, wie ihr einmal jemand sagte: „Wer auf dem Friedhof liegt, bleibt Teil der Gesellschaft.“