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Sparkassenprozess Betriebskultur des (Ver)Schweigens

Nächste Runde im Sparkassen-Prozess gegen Ex-Vorstandschef Dieter Burmeister.

19.01.2016, 23:01

Stendal l Die Zeugenvernehmung von zwei langjährigen Sparkassen-Mitarbeiterinnen offenbarte gestern, dass bei den sparkasseninternen Bauvergaben Kontrollmöglichkeiten nicht nur schwierig waren. Sie konnten mitunter systematisch umgangen werden. Trotz mehrfacher Hinweise habe der ehemaligen Vorstandschef hier nicht gegengesteuert.

Im Zentrum dieses Versagens stand dabei der für das Bau- und Immobilienmanagement zuständige ehemalige Abteilungsleiter Gerhard U. Die langjährige Leiterin der Innenrevision fasste es so zusammen: „Die Zusammenarbeit gestaltete sich als sehr schwierig, weil er oft nicht die Informationen gegeben hat, die wir gebraucht hätten, um unsere Arbeit fachgerecht auszuführen.“

Auf diese „problematische Zusammenarbeit“ habe sie „hin und wieder“ den damaligen Vorstandsvorsitzenden angesprochen. „Was hat er dann gesagt?“, wollte Richter Christian Hachtmann wissen. „Er hat dies zur Kenntnis genommen.“ Und: „Wenn man feststellt, dass sich die Situation nicht ändert, spricht man das nicht mehr an.“

Schriftlich habe sie keine Eingabe gemacht, räumte die Mitarbeiterin ein: „Das war von Herrn Burmeister nicht gewünscht, dass man hierzu Aktenvermerke macht.“ Dies sei „eine Frage der Betriebskultur“ gewesen.

Inzwischen steht fest: Gerhard U. hat systematisch Rechnungen gestückelt – bei einem Volumen unter 10 000 Euro konnte er sie so am Vorstand vorbei unterzeichnen.

„Durch Zerlegung der Rechnungen waren die Kompetenzen eingehalten“, fasste es die damaligen Leiterin der Abteilung Rechnungswesen zusammen. Dies sei damals „schon aufgefallen“, räumte sie ein: „Es wurde aber nicht die Schlussfolgerung gezogen, dass diese bewusst gestückelt worden sind. Wir mussten annehmen, dass dies dem Baufortschritt entsprach.“

Eine inhaltliche Prüfung habe ihre Abteilung nicht vorgenommen – „Verträge dazu habe ich nie gesehen“. Das Vier-Augen-Prinzip habe bei der Anweisung der Rechnungssumme gegolten. Sachlich richtig habe dagegen nur der ehemalige Bau-Abteilungsleiter gezeichnet.

Ganz unbekannt dürfte dieses Praxis weder dem Vorstand noch dem Verwaltungsrat gewesen sein. Die Kosten für die Bauvorhaben sind regelmäßig aus dem Ruder gelaufen. Dies wurde dann an die Chefetage und von dort dem Aufsichtsgremium gemeldet.

Der vom Ostdeutschen Sparkassenverband eingesetzte Prüfer bilanzierte für die Jahre 2007 bis 2012 insgesamt 59 Fälle, in denen der Ex-Abteilungsleiter bei Vorhaben des Kreditinstituts gegen seine Kompetenzen verstoßen haben soll. Fast ein Dutzend Fälle skizzierte er gestern während seiner mehr als zweistündigen Zeugenvernehmung (gesonderter Bericht folgt).

Die Prüfungen hatten nicht nur Kompetenzverstöße offen gelegt. Zumeist seien die Aufträge ohne Ausschreibung vergeben worden. Eine Kontrolle der Arbeiten sei weitgehend unterblieben. Zudem waren in etlichen Fällen die Leistungen nicht nachvollziehbar, sprach er von „Scheinrechnungen“.

„Wir sind hier noch nicht am Ende“, fasste Richter Christian Hachtmann am Ende des sechsstündigen Verhandlungstages die Situation zusammen. Nicht zuletzt wegen der „massiven Häufung von Scheinrechnungen“ deutete Hachtmann an, dass „grundsätzlich Schadensersatz in Betracht kommt“. Die Kreisparkasse Stendal klagt in diesem Verfahren gegen ihrem langjährigen Leiter fast 350 000 Euro ein.

Der Richter deutete aber an, dass nur ein Teil davon durchsetzbar sein wird. So geht er nach derzeitigem Stand nicht von einem Vorsatz Burmeisters aus. Der langjährige Sparkassenchef habe aber den Baubereich „nicht hinreichend überwacht“ und „die Strukturen so gestaltet, dass dieser besonders korruptionsanfällige Bereich nicht die ausreichende Kontrolle hatte, die es bedurft hätte“.