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Themenwoche eröffnet Spuren jüdischen Lebens

Mit einem Vortrag über jüdisches Leben in Stendal wurde die Aktionswoche „Denken ohne Geländer“ eröffnet.

Von Donald Lyko 26.01.2016, 02:00

Stendal l Wenn über etwas geschrieben und publiziert wird, ist das meist eine Wiedergabe früherer Texte. „Darum ist es wichtig, mit den Quellen zu beginnen“, sagt Ina Nitzsche. Der Umgang mit Quellen gehört zum Arbeitsalltag der Mitarbeiterin im Stendaler Stadtarchiv. Dort begrüßte sie am Montagvormittag Studierende und einige interessierte Bürger, um die Arbeit des Archivs allgemein vorzustellen, im Konkreten aber die Quellen zum jüdischen Leben in Stendal. „Die reichen bis ins 13. Jahrhundert“, erklärte Ina Nitzsche. Bei der Konzen­tration auf die Zeit während der Nazi-Herrschaft werde „immer vergessen, dass jüdische Mitbürger viele Jahrhunderte mit uns gelebt und mit uns diese Stadt aufgebaut haben“.

Während sie Bücher, Fotografien und Dokumente zeigte, berichtete Ina Nitzsche über jüdische Familien in Stendal, die ab dem 13. Jahrhundert nachweisbar sind. Sie berichtete über ein Schoßregister (ein städtisches Steuerregister) aus dem 15. Jahrhundert, in dem eine Kleine Jüdenstraße (heute Mittelstraße) und eine Große Jüdenstraße (heute Birkenhagen) sowie der Judenhof (heute Bierspünderstraße) aufgeführt werden. In der Hohen Bude soll sich eine jüdische Schule befunden haben.

Die Stadtarchiv-Mitarbeiterin, die sich in den vergangenen Jahren sehr mit der Geschichte der Stendaler Juden beschäftigt hat, stellte ihren Zuhörern schlaglichtartig Ereignisse wie die Einweihung der neue Synagoge an der Neustraße, die Zerstörungen während der Reichspogromnacht und die Repressalien vor der Deportation dar. Sie las aus amtlichen Schreiben und Briefen jener Zeit vor, die als Quellen im Archiv aufbewahrt werden. „Es sieht alles so furchtbar normal, so banal aus, wenn man in die Akten schaut. Die Enteignung wurde verwaltet. Sie werden eine Gänsehaut bekommen“, hatte Ina Nitzsche zu Beginn ihrer Ausführungen angekündigt.

Im zweiten Teil der Veranstaltung führte sie die Besucher in einige der Archivräume, zeigte die gesammelten Zeitungsbände, einige der ältesten Urkunden und die Bibliothek. Zirka 12 000 Urkunden werden im Stadtarchiv aufbewahrt, zirka 36 000 Fotografien sowie zahlreiche Akten.

Außer Studierenden und Lehrenden hatten sich einige interessierte Bürger für die Veranstaltung angemeldet. Sehr zur Freude der Organisatoren von „Denken ohne Geländer“, denn die Lesungen, Filmvorführungen, Diskussionsabende, Theateraufführung, Vorträge und Workshops „sollen in die Bürgerschaft hineinwirken“, sagte Aud Merkel vom TdA. Bei der Vorbereitung hätten die Studierenden „ein bemerkenswertes Engagement“ gezeigt, bedankte sie sich während der Eröffnung der Themenwoche, deren Anlass der 27. Januar ist, der Tag der Befreiung von Auschwitz und Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.