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Leitstelle Ein Hilferuf der Mitarbeiter

Mitarbeiter der Rettungsleitstelle beider Altmark-Kreise klagen über unzumutbare Arbeitsbedingungen.

23.02.2016, 23:01

Stendal l Aus fünf Schichten von je acht Stunden wurden vier zu zwölf Stunden, der Urlaub wurde gekürzt, Auszeiten während der Schichten seien kaum möglich, Feiertage wurden gestrichen – 583 unbezahlte Überstunden während eines Jahres kamen so zusammen. Dagegen klagte eine Mitarbeiterin der altmärkischen Rettungsleitstelle jetzt vor dem Arbeitsgericht.

„Es ist ein Hilferuf der Mitarbeiter“, fasste ihr Anwalt Sandro Wulf die Situation zusammen. Sie seien einer Belastung ausgesetzt, der sie auf Dauer nicht gewachsen sein können.

So fehlt im Stendaler Hufelandhaus gut zwei Jahre nach der Inbetriebnahme der integrierten Rettungsleitstelle immer noch ein geeigneter Rückzugsraum in unmittelbarer Nähe der Leitstelle. Mitarbeiter verbrächten so ihre Bereitschaftszeit dann am Arbeitsplatz, um in Notfällen direkt eingreifen zu können. Überdies hätten die Belastungen weiter zugenommen: Die Zahl der Notrufe habe sich verdoppelt, vermehrt riefen Ausländer an, wo die Verständigung mitunter schwierig ist. „Viele Kollege verlassen während der zwölf Stunden gerade einmal zum Essen den Raum, weil sie es anders nicht schaffen“, sagte in einer Pause ein Mitarbeiter der Leitstelle.

„Ich werfe meinem Arbeitgeber vor, dass er sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, einmal zu hospitieren und sich einfach mal vier Stunden neben uns zu setzen, um zu sehen, was wir da eigentlich machen“, warf die Klägerin während der Verhandlung ein. „Hier muss man permanent erreichbar sein.“

Die beiden Vertreter des Landkreises gaben in der Verhandlung ein völlig unterschiedliches Bild ab. Während sich der Rechtsamtsmitarbeiter aufgrund eines anderen Urteils zu Gunsten des Kreises in einer komfortablen Situation sah, räumte der zuständige Sachbearbeiter Mängel ein. „Der Landkreis hat das ungünstigste Modell gewählt – aus Sicht der Mitarbeiter“, bezeichnete er die Kritik als „berechtigt“. Er habe „Hochachtung für die Arbeitsleistung“ seiner Mitarbeiter: „Es muss eine Lösung in dem Sinne gefunden werden, dass sie ihren Beruf auch noch mit über 50 ausüben können.“

Arbeitsrichter Dirk Wolandt fasste zwischenzeitlich zusammen: „Dahinter steckt der Hilferuf nach einer Aufstockung.“ Unter diesen Umständen sei ein Acht-Stunden-Tag konzentrierter zu bewältigen als die Zwölf-Stunden-Schicht.

Bei anderen Arbeitszeitmodellen habe der Landkreis jedoch bisher geblockt. „Wir haben so viele Papiere beschrieben, doch es wird alles totgeschwiegen“, kritisierte die Klägern. Ihr Anwalt sprach von einem „haushaltspolitisches Wegdrücken“ der Vorschläge.

Rechtlich ist die Klage indes kompliziert. Die Überlastung müssten die Mitarbeiter dokumentieren. Ein Spagat. „Wenn es um Entscheidungen über Leben und Tod geht, kann ich nicht meine Arbeitszeit erfassen“, machte die Leitstellenmitarbeiterin deutlich.

Während der Vertreter der Kreisverwaltung sich auf keine Vertagung einlassen wollte – „ich möchte hier heute eine Entscheidung haben“ –, bediente sich Sandro Wulf am Ende eines juristischen Kniffs, um das Verfahren in dieser Instanz kurzfristig fortzusetzen: Er stellte keinen Antrag und kassierte ein Versäumnisurteil. Dagegen kann er nun im Namen seiner Mandantin binnen einer Woche Widerspruch einlegen, so dass das Verfahren dann wieder verhandelt wird. „Hoffentlich bewegt sich der Landkreis in dieser Zeit auf die Mitarbeiter zu“, sagte Wulf beim Verlassen des Gerichtssaals.

Nach Volksstimme-Informationen ist heute in der Kreisverwaltung eine Beratung angesetzt, bei der Entscheidungen fallen sollen, die ein erster Schritt sein könnten, um die Situation zu verbessern.