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FlüchtlingeBlutspende als Dankes-Geste

Bei der Blutspende am Dienstag in Stendal waren erstmals in größerer Zahl Zugewanderte dabei. Ein Novum in Sachsen-Anhalt.

Von Nora Knappe 17.03.2016, 00:01

Stendal l Was am Dienstagabend im Stendaler Rudolf-Hildebrand-Gymnasium passierte, geht eigentlich nicht. 14 Männer, die meisten von ihnen aus Syrien und die meisten noch ohne ausreichende Deutschkenntnisse, reihten sich in die Warteschlange zur Blutspende ein. Wenngleich sie alle einen Aufenthaltstitel haben und somit Alter und Wohnsitz nachweisen können, sind es aber genau die mangelnden Deutschkenntnisse, die sie normalerweise von der Blutspende ausschließen würden. Denn hier geht es um Vertrauliches und um nachvollziehbare sichere Angaben. Und ein Dolmetscher ist nicht erlaubt (siehe Infokasten).

Aber mit diesem „Eigentlich geht das nicht“ wollten sich die islamische Gemeinde, der Gesprächskreis von Christen und Muslimen im Johanniter-Krankenhaus sowie Klinikseelsorger Ulrich Paulsen nicht zufriedengeben. „Sie wollen etwas geben, obwohl sie kaum etwas haben. Sie wissen, dass Blutspende ein Weg sein kann, Leben miteinander zu verbinden“, erklärt Paulsen den Ursprung der Initiative zur Blutspende, die für Sachsen-Anhalt übrigens erstmalig in dieser organisierten Form stattfand.

„Es kommt zwar immer mal wieder vor, dass DRK-Ortsvereine Flüchtlinge zum Spenden animieren oder diese von sich aus Termine wahrnehmen, aber das sind bislang Einzelfälle“, wie Tobias Lüttig, Pressesprecher des Blutspendedienstes der Landesverbände des Deutschen Roten Kreuzes Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Oldenburg und Bremen, der Volksstimme berichtet. „Das, was am Dienstag in Stendal stattfand, kann man aber als Pilotprojekt bezeichnen.“

Die Idee dazu war schon im vorigen Jahr aufgekommen, doch die gesetzlichen Richtlinien für eine rundherum sichere Blutspende standen einer schnelleren Umsetzung zunächst im Wege. „Da galt es, Geduld zu haben und Wege zu finden, die Voraussetzungen bis ins Detail zu erfüllen“, sagt Paulsen. Die Lösung, die man schließlich fand, heißt Dr. Munief Ali. Der gebürtige Jemenit arbeitet als Assistenzarzt in der Radioonkologie am Johanniter-Krankenhaus Genthin-Stendal und ist zudem Transfusionsbeauftragter. Und genau das war ausschlaggebend dafür, dass er – der ja zudem Arabisch spricht – als dolmetschender Arzt die Blutspende begleiten und einzelne Aufgaben übernehmen durfte. Denn das DRK selbst verfügt über keinen arabischsprachigen Arzt, die Spenderbögen sind und bleiben nur auf Deutsch gedruckt.

Das Begehren, danke zu sagen für die vielfältige Hilfe, die die Menschen auf der Flucht, in Deutschland oder jetzt in Stendal erfahren haben, war vielfach, erzählt Dr. Ali. „Und die Blutspende ist eine Art von Integration.“ Aber er musste eben streng nach den Kriterien des Transfusionsgesetzes auswählen. Während für Blutspender ohnehin gilt, dass man mindestens 18 Jahre alt sein muss, nicht unter 50 Kilogramm wiegen darf, liegt bei den ausländischen Spendern besonders auch das Augenmerk darauf, aus welchen Ländern sie eingereist sind. Gibt es dort Hepatitis B – was laut DRK-Sprecher Lüttig vor allem in Syrien der Fall ist –, Malaria oder das Westnil-Virus, dürfen sie sechs Monate lang nicht spenden. Und hinzu kommen eben die speziellen Bedingungen des Aufenthaltstitels und der Deutschkenntnisse.

Die sind für Soulaimani Slimane kein Problem: Der Marokkaner lebt schon seit 1992 in Stendal, betreibt an der Stadtseeallee einen Döner-Imbiss. Für ihn ist es die erste Blutspende überhaupt, für viele der anderen die erste in Deutschland. „Wir machen das gern, weil wir etwas zurückgeben wollen“, sagt er. „Unser Blut ist doch das Mindeste, was wir geben können.“ Er füllt das Spenderformular selbstständig aus, erklärt es den anderen, die erst seit einem halben bis einem Jahr in Deutschland sind.

Die 14 Männer sind geduldig, lassen sich wie alle anderen Spender von der Aufnahme zum Bluttest, zum Blutdruck- und Pulsmessen weiterleiten, reihen sich schließlich wieder in die Warteschlange, um dann für fünf bis zehn Minuten auf der Spendepritsche zu liegen. Ayman Hassanein hätte dort auch gern gelegen, doch mit seinen 17 Jahren ist der Ägypter, der in der Diesterweg-Sekundarschule Stendal lernt, ein Jahr zu jung. „Mein Vater spendet schon seit Langem Blut“, sagt er, „da will ich das auch.“ Jemand habe ihm gesagt, dass es schon ab 17 ginge. Und nun ist er ein bisschen traurig, dass er dieses Jahr noch nicht darf.

Dass es vielen Geflüchteten ein Bedürfnis ist zu spenden, kann Tobias Lüttig vom DRK nur bestätigen. „Sie haben zum Großteil schon in ihrer Heimat mit Blutspenden geholfen, wobei es da in erster Linie um Kriegsverletzte ging.“ Das hätten sie nun im Hinterkopf und wollten auch hier auf diese Weise helfen und Leben retten. Dass dann manchmal die strengen Regularien eine Spende fürs Erste verhindern, bedauert Lüttig, bekräftigt aber: „Uns ist jeder Blutspender wichtig.“