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Abfallentsorgung Kommt die Wertstoff-Tonne?

Die Einführung einer Wertstoff-Tonne wird derzeit auch im Landkreis Stendal diskutiert.

Von Bernd-Volker Brahms 15.03.2017, 02:00

Stendal l Bekommen die Einwohner des Landkreises Stendal möglicherweise in absehbarer Zeit noch eine weitere Mülltonne ans Haus gestellt, um den Hausmüll noch besser trennen zu können? Zur Debatte steht eine Wertstofftonne, in die insbesondere Plastikmüll geworfen wird, der nicht in die Gelbe Tonne gehört, in der ausschließlich Verpackungsmüll gesammelt werden soll. Mit einer Wertstofftonne gebe es dann also neben Schwarzer Tonne (Restmüll), Gelber Tonne (Verpackung), Blauer Tonne (Papier) und Brauner Tonne (Bio) noch eine fünfte Tonne am Haus.

Im Umweltausschuss des Landkreises stellte ein Experte der Beratungsfirma Gavia aus Berlin vor kurzem mögliche Szenarien für den Landkreis Stendal vor. Fakt ist: Der Gesetzgeber zwingt die Kommunen nach dem Kreislauf- wirtschaftsgesetz dazu, noch stärker zu sammeln, zu trennen und wieder zu verwerten. „Es ist vorgeschrieben, ein haushaltsnahes System zu installieren“, sagte Diplom-Ingenieur Dietrich Dehnen. Bis 2020 soll dies passiert sein.

Grundsätzlich kommen zwei Optionen in Frage, sagte Dehnen. Einerseits könne der Landkreis ein eigenes kommunales System auf die Beine stellen. Dies könne durch das Einsammeln von Tonnen oder Säcken passieren oder auch durch das Aufstellen von Containern in Wohngebieten und Straßen, aber auch durch Anlaufstellen wie Wertstoffhöfen.

Andererseits könne man den Systembetreiber für die Gelben Tonnen mit einbinden. Dies ist derzeit noch das Duale System Deutschland (DSD) in Verbindung mit der Tangerhütter Firma Cont-Trans. „Die Systembetreiber können dazu verpflichtet werden, stoffgleiche Nichtverpackungen einzusammeln“, sagte Dehnen.

Als dritte Form gebe es noch eine Kooperation zwischen Landkreis und Systembetreiber für die Gelbe Tonne.

Der Berliner Experte ging in seinem Vortrag nicht darauf ein, dass es derzeit ohnehin schon große Probleme mit DSD und Cont-Trans gibt und dass das Landesumweltamt als Genehmigungsbehörde sich bereits anwaltlich beraten lässt, um für „systematische Abhilfe verschiedener Vorkommnisse“ zu sorgen, wie es ein Behördensprecher formuliert.

Landrat Carsten Wulfänger (CDU) sprach bereits im Februar im Kreistag mit einiger Skepsis über die Wertstofftonne. „Es muss bezahlbar bleiben, die Einführung würde eine Quersubventionierung bedeuten“, sagte der Landrat. Der Verwaltungschef scheint somit nicht davon auszugehen, dass der Erlös aus den Wertstoffen letztlich die Kosten für das Einsammeln des Mülls decken kann. Entsprechend müsse dieser Bereich durch die Müllgebühren beim Restmüll quersubventioniert werden, da davon ausgegangen werden kann, dass eine entsprechende Gebühr für diese weitere Tonne nicht durchsetzbar ist. „Mit der Wertstoffverwertung wird eng am Markt agiert“, sagte Experte Dietrich Dehnen im Ausschuss.

Der Berliner Müllfachmann sagte, dass die Einführung einer Wertstofftonne ein erhebliches finanzielles Risiko für den Landkreis darstelle, insbesondere da erfahrungsgemäß die Tonnen zu einem erheblichen Maße fehlbefüllt werden und somit sehr viel nachsortiert werden müsse. Bei einer mit Stendal vergleichbaren Kommune in Rheinland-Pfalz hätten die Tonnen im Durchschnitt nur zehn Prozent an Wertstoffen enthalten, 45 Prozent seien Restmüll und 45 Prozent Verpackungsmüll (eigentlich bestimmt für die Gelbe Tonne) enthalten.

Ohnehin sei das Potenzial des verwertbaren Mülls im Landkreis Stendal nicht sonderlich hoch. Dehnen geht von rund 800 Tonnen pro Jahr aus, was einen Pro-Kopf-Anteil von sieben Kilogramm je Einwohner und Jahr ausmachen würde.

In Sachsen-Anhalt gebe es bis jetzt noch nirgends Wertstofftonnen, sagte Dehnen. Die Kommunen würden noch über Wertstoffhöfe ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen. Das Landesverwaltungsamt habe bisher keine Bewertung vorgenommen, was zu tun sei.

Der Berliner Fachmann hatte dann für die Stendaler Verwaltung und die Lokalpolitik einen ganz pragmatischen Rat: „Es fährt derjenige wirtschaftlich erfolgreich, der sich nicht als Erster rührt, sondern besser abwartet.“

Bis Mitte des Jahres will die Beratungsfirma eine Detailanalyse für den Landkreis Stendal vorlegen.