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Amtsgericht Stendaler zahlt für Stinkefinger

Wieso das Amtsgericht Stendal eine Geldstrafe von 2000 Euro ausgesprochen hat.

Von Wolfgang Biermann 09.07.2020, 05:00

Stendal l Kann man bestraft werden, weil man einem Blitzer vom Auto aus den sogenannten Stinkefinger zeigt? Antwort: Man kann! 2000 Euro Geldstrafe muss ein vielfach vorbestrafter 39-jähriger Stendaler gemäß vom hiesigen Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung erlassenen Strafbefehls zahlen. Demnach hatte er am Abend des 30. Januar dieses Jahres, am Steuer eines Transporters sitzend, gleich beide Mittelfinger gen allseits bekannten Blitzer im Stendaler Ortsteil Buchholz ausgestreckt.

Gegen diesen Strafbefehl hatte der Angeklagte Einspruch eingelegt. Daraufhin hatte Richter Rainer Mählenhoff eine mündliche Hauptverhandlung am Amtsgericht anberaumt. Doch wer nicht kam, war der Angeklagte. Nach Feststellung der üblichen Formalitäten, wie Einhaltung der Ladungsfrist und dem Abwarten der obligatorischen Viertelstunde Wartefrist, beantragte Oberstaatsanwältin Ramona Schlüter die Verwerfung des Einspruchs. Dem Antrag folgte Richter Mählenhoff umgehend. Damit ist die Geldstrafe rechtskräftig.

Ganz schön dreist: Der Angeklagte war gegen 21.30 Uhr am 30. Januar mit gemessenen 63 statt 50 km/h innerorts nicht nur viel zu schnell unterwegs. Nein, er hatte auch keine Fahrerlaubnis. Er ist deshalb zuvor schon mehrfach verurteilt worden, insgesamt hat er seit 2009 bereits insgesamt 430 Tagessätze an Geldstrafen in variierender Höhe erhalten.

Bei der Auswertung der Fotos des stationären Buchholzer Blitzers stieß man auf das Bild des Angeklagten mit den ausgestreckten Mittelfingern. Und diese Stinkefinger bewogen die Stadt Stendal stellvertretend für die Mitarbeiter im Ordnungsamt Anzeige wegen Beleidigung zu erstatten und Strafantrag als Voraussetzung für ein Strafverfahren zu stellen. Beleidigung wird laut vom Gericht zitiertem Strafgesetzbuch im Regelfall mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Für den Fall, dass der Angeklagte gekommen wäre, hatte Oberstaatsanwältin Schlüter ein höchstrichterliches Urteil dabei. Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte nämlich schon im Jahr 2000 letztinstanzlich in einem ähnlich gelagterten Fall entschieden, dass der Stinkefingergruß durchaus als Beleidgung aufzufassen und als solche zu bestrafen ist. Unzulässig wäre es demnach nur, einen Autofahrer, der mit ordnungsgemäßem Tempo fährt, zu blitzen und zu bestrafen, sofern er denn der Blitzerkamera einen Stinkefinger zeigen würde.

In den Strafbefehl des Stendaler Amtsgerichts floss tateinheitlich das Fahren ohne Fahrerlaubnis ein. Eine Geldforderung wird der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft zudem noch separat von der Bußgeldstelle erhalten – für die 13 km/h zu viel.