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Atommuell Gorleben bleibt möglich

Im Wendland formieren sich die Atomkraft-Gegner. Sie kritisieren den Bericht der Endlagerkommission. In der Altmark bleibt man gelassen.

Von Bernd-Volker Brahms 13.07.2016, 01:01

Stendal l Gorleben bleibt möglich: Die Endlagerkommission des Bundestages hat nach zweijährigen Beratungen die Kriterien für die Suche nach einem sicheren Standort zur Lagerung von hoch radioaktivem Atommüll festgelegt (die Volksstimme berichtete). Wie Umweltverbände kritisieren, schließt der Abschlussbericht der Kommission Gorleben als möglichen Lagerort für die abgebrannten Brennelemente aus Kernkraftwerken nicht per se aus – der umstrittene Salzstock im Wendland bleibt im Spiel.

Aber auch die Altmark ist als Potenzialgebiet weiter dabei: Größere Tonsteinvorkommen gibt es dort in den Bereichen um Salzwedel, Seehausen, Osterburg und Schönhausen. Er werde „sehr offen" mit allen Informationen umgehen, hatte Landrat Carsten Wulfänger  (CDU) bereits im Kreistag geäußert. Ende April sind auch zwei Mitarbeiter der Behörde bei einer Konferenz zum Thema Endlagersuche in Berlin dabei gewesen. „Es liegen uns keine neuen Erkenntnisse vor", sagt Kreissprecherin Angela Vogel jetzt. Man bleibe am Ball und reiche Informationen gleich weiter, so die Sprecherin.

Die Reaktionen auf den 600-seitigen Bericht sind in Niedersachsen etwas aufgeregter. Während Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) das Ergebnis als „großen Erfolg" sieht, bewerten Umweltverbände und grüne Parteikollegen das Papier wesentlich kritischer. Teil des Berichts ist zum Beispiel die Frage, wie mächtig ein Gebirge sein muss und wie durchlässig es sein darf, um größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten. Festgelegt wurden außerdem weitere Kriterien für die Eignung als Endlagerstandort, die Art der Öffentlichkeitsbeteiligung sowie Vorschläge für Änderungen im Standortauswahlgesetz.

„Mehr als zwei Jahre harter Arbeit haben sich gelohnt. Der Weg ist frei für einen Neubeginn", sagte der Minister in Hannover. Die jahrzehntelange Vorfestlegung der Atomindustrie auf den Endlagerstandort Gorleben sei mit den Vereinbarungen im Abschlussbericht der Kommission vom Tisch, so Wenzel. Die Festlegung auf die Forderung nach einer möglichst mächtigen und vollständigen Überdeckung mit grundwasserhemmenden Gesteinen im Deckgebirge als Abwägungskriterium gilt für Wenzel ebenso als positives Signal wie die Aufhebung des Ausschlusses von kristallinen Gesteinen. Hintergrund: ausreichende Granitlagen gibt es in Deutschland fast ausschließlich in Bayern.

Mit seiner Forderung nach einer Grenztemperatur von 100 Grad als maximale Einlagerungstemperatur auch in Salzgestein konnte sich Wenzel  in der Kommission durchsetzen. Unter anderem erleichtert diese Temperaturbegrenzung eine womögliche spätere Rückholung oder Bergung des eingelagerten Abfalls. Auch diese Festlegung auf eine mögliche Fehlerkorrektur durch Rückholung ist für Wenzel ein positives Signal dafür, dass der Salzstock Gorleben nicht als Endlagerstandort benannt wird. Ganz anders bewertet es Miriam Staudte, atompolitische Sprecherin der Grünen im niedersächsischen Landtag: „Das Ergebnis der Endlagerkommission ist leider kein ergebnisoffener Neustart." Oberstes Ziel eines Endlagersuchverfahrens sollte der „bestmögliche Standort" sein, doch auch diese Formulierung wurde im Abschlussbericht abgeschwächt. Da der geologisch mangelhafte Standort Gorleben im Verfahren bleiben sollte, war die Entwicklung von objektiven, rein sicherheitsorientierten Suchkriterien nicht durchsetzbar," so Staudte. „Gorleben soll offensichtlich nicht nur zum Start des Suchverfahrens, sondern bis zur letzten Abwägung im Rennen gehalten werden."

Die Grüne Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden meint: „Es ist nicht gelungen, zu allen Punkten einen Konsens innerhalb der Kommission zu finden: Mehrere Sondervoten zeigen, dass es weiterhin erhebliche Zielkonflikte verschiedener Akteure gibt." Im Abschlussbericht seien dem Gesetzgeber nun wissenschaftliche Kriterien für die Standortauswahl empfohlen worden, die nicht zwangsläufig zum bestmöglichen Endlager führen: „So ist die Anzahl der mindestens miteinander zu vergleichenden untertägig erkundeten Standorte nicht festgelegt. Außerdem sind geologische Kriterien, die für größere Sicherheit gesorgt hätten, nicht als Mindestkriterien, sondern nur als ,Abwägungskriterien‘ beschlossen worden. Damit wurde das früher unverzichtbare Mehrbarrierensystem aufgegeben," sagt Verlinden.

Ein Mitglied der Endlagerkommission hat den Salzstock Gorleben als künftiges Endlager inzwischen kategorisch  ausgeschlossen. „Ich bin der Meinung: In einem wirklich fairen Verfahren, das auf rein wissenschaftlichen Kriterien basiert, wird Gorleben ausscheiden", so der Geologe Ulrich Kleemann gegenüber der „Rhein-Zeitung". Beim 350. Sonntagsspaziergang in Gorleben waren an diesem Sonntag 200 Teilnehmer dabei.