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Burgfest Pyrdok regiert mit Kaisers Gnaden

Lediglich durch Volkes Willen regierte Jürgen Pyrdok die Stadt. Nun ist er auch Bürgermeister mit Gnaden der Obrigkeit.

Von Rudi-Michael Wienecke 14.09.2015, 01:01

Tangermünde l Machtwechsel in Tangermünde: Er solle die Stadt vor Schaden bewahren und alte Häuser neu gestalten, forderte Kaiser Karl IV. von Jürgen Pyrdok und gab ihm seinen Segen, künftig die Geschicke in diesem Teile seines Reiches lenken zu dürfen. Seine Majestät betrachtete die Ratswandlung vom Sommer des Jahres anno 2015 mit Wohlwollen, hieß seinen neuen Stadthalter im Amte willkommen. „Jubel für Pyrdok“, forderte der Kaiser von dem Volke, dass diesen Manne bereits am 6. Juli auf den Ratsstuhle hob.

Der so Gelobte legte zugleich Rechenschaft über die Taten der getreuen Tangermünder in den vergangenen zwölf Monden ab. Die Schäden, die der große Fluss anno 2013 der Stadt zufügte, seien weitgehend beseitigt. Nur noch Dämme und einige Brücken wären zu bauen. Ein neues Haus für die Kleinsten entstand, und ein Medicus baue derzeit an einem Haus für Alte und Kranke. Auch an der Mauer, welche die Stadt schützt, wurde weiter gewerkelt. In den Dörfern Grobleben und Storkau wurde etwas zum Schutze gegen eine Feuersbrunst getan. Das Bauland werde knapp, neues soll erschlossen werden, damit des Kaisers Untertanen der Stadt die Treue halten und sich mehren. Insgesamt sei die Stadt ein Stück gediegener, auch wenn sie von den Landesoberen finanziell im Stich gelassen werde. Der Rat musste Steuern erhöhen und werde nicht umhin kommen, um Kredite bitten zu müssen.

Pyrdok vergaß die große Politik im Reiche nicht, berichtete seinem Herrn von den Festlichkeiten anlässlich der 70. Wiederkehr des Endes des großen Krieges und der 25. Wiederkehr der Vereinigung des Reiches. Der neue Stadthalter verschwieg die Misslichkeiten nicht. Verfolgte und Arme würden im Norden Schutze suchen. Angesichts der großen Zahl suchen die Oberen nach Lösungen, viele beschleiche Angst. Doch diese Angst sei ein schlechter Ratgeber. Offenheit und Menschlichkeit sei statt ihrer gefragt. Auch darüber, dass eine kleine Gruppe namens BUND den Weiterbau des neuen Handelsweges A 14 in Richtung Norden verhindere, verschwieg Pyrdok dem Kaiser nicht.

Dieser ließ nun zu, dass Amtsvorgänger Rudolf Opitz seinem Nachfolger den güldenen Stadtschlüssel übergab, und spontan forderte des Kaisers Gefolge „Jubel für Opitz“, welcher aus vielen hundert Kehlen erwidert wurde. 25 Jahre lang war Opitz erster Diener der Stadt, und er sei froh und glücklich, dass sei langjähriger erster Hauptmann ihm im Amte folgte.

Vor nunmehr 642 Jahren zog Kaiser Karl IV. erstmals in Tangermünde ein, seit 28 Jahren erscheint er einmal jährlich zum Burgfest. Als die Hansestadt 2009 ihr 1000-jähriges Bestehen feierte, schlüpfte Rüdiger Albrecht, Betreiber eines Reiterhofes in Buch, erstmals in die Rolle seiner Majestät. Als Kaiserin ritt Leonie Schmidt neben ihm, und Gesa Benthin, Kathrin Ihloff sowie Sohn Hannes Albrecht gehörten als Herolde zum berittenen Gefolge. Abgesichert wurden sie vom Fußvolk mit Pferdeverstand. Es handelte sich um Reiter aus Buch, die im Ernstfall beherzt in die Zügel gegriffen hätten.

„Das Lampenfieber ist noch immer da“, gab Albrecht vor seinem großen Auftritt am Sonnabend zu. Angst, in den Sattel zu steigen habe er aber nicht, obwohl der Umzugstrubel von den Pferden, die von Natur aus Fluchttiere sind, immer wieder eine Menge abverlange. Allerdings werden die fünf Rösser, die in diesem Jahr den Umzug anführten, darunter auch welche aus dem Stall des CJD Billberge, regelmäßig im Turniersport geritten. Vom Wettkampf her sind ihnen also Menschenmengen, flatternde Fahnen und Musik vertraut.

Für letzte sorgten während des Umzuges die Milkauer Schalmeien. Sie gehören seit vielen Jahren ebenso zum Gefolge des Kaisers wie viele Gruppen aus Tangermünde, die in mittelalterlichen Gewändern das tausendköpfige Publikum am Straßenrand zum „Jubel für den Kaiser“ aufforderten. Meist wurde dieser auch erwidert. Nur ein böser Geselle schrie „Nieder mit der Monarchie“.

Handel und Wandel waren drei Tage lang in Tangermünde zu erleben, auf den verschiedensten Bühnen wechselten sich Bands und Tanzgruppen ab und Straßenkünstler verschiedenster Nationen begeisterten die Burgfestgäste.

Zu den zweifellos Besten gehörte der Kroate Sveto König. Hunderte Ausschnitte aus Musiktiteln oder Zitate von berühmten Personen hat er im Repertoire und kann mit diesen binnen Sekunden ahnungslose Passanten überraschen. Sah Sveto König einen Vater, der sein Kind in der Trage auf dem Bauch hat, erklang spontan das Kinderlied „Was hat das Känguru in seinem Beutel“, was noch harmlos war. Angesichts von Damen mit großer Oberweite kam der Kroate auch schon mal mit „Holz vor der Hütte“ und bei „Je enger die Hose desto breiter der Hintern“ wussten die Zuschauer auch sofort, wer gemeint war. Zuckte der Künstler zu „Geld, Geld, Geld“ von den Prinzen seinen Klingelbeutel, kamen sie dieser Aufforderung sofort nach, froh, viel Spaß gehabt zu haben, und noch froher darüber, dass es diesen auf Kosten der Anderen gab.