1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Ein Taucher für alle Lebenslagen

Ehrenamt Ein Taucher für alle Lebenslagen

Seit 1980 leitet Dietmar Schiess die Tangermünder Ortsgruppe der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG).

Von Anke Hoffmeister 11.09.2016, 07:00

Tangermünde l Heute lernen viele Kinder bereits mit fünf Jahren das Schwimmen. Als Dietmar Schiess (61) so alt war, hatte Tangermünde noch kein Freibad und schwimmen konnte er mit fünf noch nicht. „Erst mit elf Jahren habe ich schwimmen gelernt, im Tanger und im Kiesloch“, weiß er noch heute.

1967, ein Jahr nach seinem Schwimmunterricht, bekam die Kaiserstadt ein Freibad. Das Element Wasser gehört seitdem zum Leben des Dietmar Schiess dazu, wie das, was der Mensch täglich braucht, um seinen Körper am Leben zu erhalten. „Ich hatte bis dahin schon viel probiert“, erzählt Dietmar Schiess, als er sich jetzt an die Zeit der 60er und 70er Jahre erinnert. Doch ganz gleich, ob es Fußball oder Leichtathletik war – nichts davon motivierte ihn wirklich dazu,

es mit Hingabe und Leidenschaft auszuüben. Da kam die Sektion Schwimmen im Tangermünder Freibad gerade zur rechten Zeit. „Das machte mir Spaß.“ Schiess blieb dabei und wurde Mitglied des Wasserrettungsdienstes des Deutschen Roten Kreuzes der DDR.

1980 übernahm er den Vorsitz. „Damals waren wir 45 Mitglieder. Da war ich stolz drauf. Doch wir dümpelten so vor uns hin, hatten weder ordentliches Material noch andere herausragende Voraussetzungen“, erzählt er von damals. Allerdings tat das dem Spaß am Schwimmen und mittlerweile auch Tauchen keinen Abbruch. Schiess blieb dabei, zusammen mit etlichen anderen Schwimmbegeisterten, und meisterte gemeinsam mit ihnen auch die Umbruchzeit nach 1990.

1992 gründeten sie die DLRG-Ortsgruppe Tangermünde. Heute zählt diese zwischen 150 und 160 Mitglieder. Die Zahl ist seit Jahren konstant. Viele Kinder und Jugendliche verbringen hier ihre Freizeit, qualifizieren sich zum Rettungsschwimmer, sind bei Veranstaltungen ganz unterschiedlicher Art dabei.

An einen seiner ersten Einsätze als Einsatztaucher kann sich Dietmar Schiess noch genau erinnert. 1987 stieg er ins Pferdewiehl, östlich der Elbe, zusammen mit Dieter Kempf, der inzwischen seit 60 Jahren Mitglied der DLRG (zuvor Wasserrettung) ist. „Mit dem Moped sind wir rübergefahren. Mit Badehose haben wir nach dem Vermissten getaucht. Dieter hat ihn gefunden“, lässt Dietmar Schiess dieses Erlebnis Revue passieren. Und er fügt hinzu: „Von Dieter Kempf habe ich viel gelernt.“ Unzählige Tauchgänge haben sie gemeinsam absolviert. Zeichen, Blickkontakt genügen – die beiden verstehen sich auch ohne Worte.

Mit der Gründung der DLRG-Ortsgruppe wurden die Tangermünder immer häufiger zu Einsätzen ins Wasser gerufen. Da reichte es irgendwann nicht mehr aus, nur die Luft anzuhalten und abzutauchen. Die Stunde der Einsatztaucher war geboren. Zwölf Aktive zählt die Gruppe derzeit. Regelmäßiges Training und jährlich wiederkehrende ärztliche Untersuchungen sind erforderlich, damit sie alle dabeibleiben können.

Auch wenn Dietmar Schiess schon viel erlebt und gesehen hat, ist eines für ihn klar: „Bei jeder Personensuche ist die Anspannung wieder da.“ Routine hat hier noch keinen Einzug gehalten. Die psychische Belastung sei hoch. Dabei hat der Tangermünder schon schlimme Bilder verarbeiten müssen – erst jüngst wieder während der Bergung des Golfs an der Sandauer Fähre, wo unter anderem auch ein Schuh samt Inhalt an das Tageslicht befördert wurde.

Doch der Spaß am Tauchen überwiegt für den 61-Jährigen nach wie vor. „Die Schwerelosigkeit unter Wasser, das Atmen unter Wasser und die Natur, die man nur erleben kann, wenn man taucht – all das ist fantastisch“, schwärmt er von seinem Hobby.

Als Taucher hat er aber auch schon einen alten Stadtbrunnen in der Tangermünder Kirchstraße erkundet, ein Boot zusammen mit Dieter Kempf aus dem Baggersee bei Langensalzwedel geholt (das erste ferngesteuerte Modellboot eines Bekannten, der ihn kurz nach 1990 um die „Bergung“ gebeten hatte) und ist viele, viele Male in die Unterwasserwelt des Roten Meeres vor der Küste Ägyptens eingetaucht. „Urlaub in den Bergen kommt für mich nicht in Frage“, stellt er klar. „Solange es möglich ist, werde ich tauchen – aber niemals ohne Messer und nicht ohne Respekt.“ Das habe ihn die Erfahrung gelehrt. „Den Kopf darf man beim Tauchen nicht ausschalten“, weiß er.

Für die Zukunft der Ortsgruppe wünscht er sich einen Zusammenhalt, der das Miteinander fördert. Und er wünscht sich, was er seit vielen Jahren immer wieder anspricht: ein Domizil in der Stadt, in dem die DLRG ihre Technik sicher unterstellen, warten und reinigen kann, in dem sanitäre Einrichtungen vorhanden sind.