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Ehrenamt Geben, aber auch viel bekommen

Der Blumenstrauß des Monats Mai geht an Barbara Miesterfeldt, Leiterin der Teestube Maranata und des Charity-Shops.

Von Thomas Pusch 14.05.2016, 01:01

Stendal l Barbara Miesterfeldt strahlt. „Ich liebe Blumen“, sagt sie. Und die Komposition gefällt ihr auch: „Frühling.“ Und das Strahlen in ihrem Gesicht wird noch größer, als sie von ihrem ehrenamtlichen Engagement erzählt. Als 1981 im Dachstübel der Marienkirchstraße 1 die Teestube Maranata als Treff- und Gesprächsangebot für Jugendliche gegründet wird, ist sie schon dabei. „Dann bin ich ein paar Jahre außerhalb Stendals gewesen und seit 1991 wieder hier“, schildert sie.

Kinder- und Jugendarbeit, die liegt ihr besonders am Herzen. Das hat sie auch an der Theologischen Hochschule in Friedensau, einem Ortsteil von Möckern, studiert. „Es ist toll, die jungen Menschen auf einem Stück ihres Lebensweges zu begleiten“, sagt sie. Und wenn sich dann die Lebenswege wieder kreuzen, 15 oder 20 Jahre später, sei es bei einem Treffen in der Stadt oder einem Gruß per E-Mail, „dann geht mir das Herz auf.“ Sehr dankbar sei sie, dass sie diese Arbeit machen dürfe, dankbar auch Gott, der für sie eine wichtige Orientierung in ihrem Leben bedeutet.

Wenn sie über ihr jahrzehntelanges Engagement nachdenkt, dann fallen ihr nicht nur Glücksmomente ein. Anfang der 90er Jahre waren es vor allem junge Russlanddeutsche, um die sie sich kümmerte. Einige von ihnen sind bei Verkehrsunfällen tödlich verunglückt. Besonders schmerzlich in Erinnerung geblieben ist ihr der Tod eines jungen Mannes, den sie noch wenige Stunden zuvor in der Teestube gesehen hatte. Das sind Momente der Hilflosigkeit.

Die gehören auch zu ihrer Arbeit. „Mein Sohn hat einmal gesagt, dass wir als Sozialarbeiter manchmal nur eine Träne trocknen können“, zeigt sie einen bittersüßen Aspekt des Engagements auf. Wenn man ihren leidenschaftlichen Erzählungen zuhört, kann man sich kaum vorstellen, dass sie je etwas Anderes gemacht hat als genau diese Arbeit. Doch sie hat. So war sie als Apothekenfacharbeiterin tätig und arbeitete als Verkäuferin in einer Modeboutique. „Das fand ich sehr spannend, andere Menschen anzuziehen und zu beobachten, wie sie sich dadurch verändern“, schwärmt sie. Mit der Eröffnung des Charity-Shops an der Nicolaistraße vor fast zehn Jahren kam sie wieder ein wenig in die Branche zurück.

Mehrere Jahre war sie auch in Wilhelmshof beschäftigt, arbeitete mit behinderten Menschen. Auch das erfüllte sie sehr, wenn auch manche aus dem Bekanntenkreis darüber nur den Kopf schütteln konnten. Doch dafür hat Barbara Miesterfeldt wiederum kein Verständnis. Nun ist sie seit 25 Jahren durchgängig für Maranata tätig und in diesem Vierteljahrhundert hat sie auch einige Veränderungen beobachtet.

„Am Anfang kamen viele Abiturienten, manche von denen waren ein bisschen verrückt, aber das auf eine sympathische Art und Weise“, blickt sie zurück. Später hatte sie es mit vielen Milieugeschädigten zu tun, in den ersten Jahren nach der Wende wussten viele nicht, wo die Grenzen sind, es schien keine mehr zu geben. Mitte der 90er Jahre waren es die Spätaussiedler und heute sind es junge Flüchtlinge, die sich die Zeit in der Teestube vertreiben, sich auf ein Gespräch oder auch einen Rat freuen. Seit einiger Zeit werden bei Maranata auch Deutschkurse angeboten. „Wenn ich in die Augen der Menschen gucke, die sich darüber freuen, etwas Neues zu lernen, das ist toll“, erzählt sie und in ihren Augen leuchtet es in dem Moment so wie wohl bei den Flüchtlingen im Deutschunterricht. Der neunjährige Mustafa sei beispielsweise ein ganz eifriger Schüler gewesen.

Soziales Engagement sei eben nicht nur ein Geben, sondern auch ein Nehmen. „Ich bekomme so unendlich viel zurück“, sagt sie. Die schmerzlichen Momente, die hat sie auch in der Arbeit mit den Flüchtlingsfamilien schon erlebt. Wenn abgeschoben wurde. „Das waren Menschen, die schon gut integriert waren, die wurden dann nach Afghanistan zurückgeschickt“, kann sie das nicht begreifen. Wie so vieles in der Flüchtlingspolitik. Warum etwa mit Erdogan ein Pakt geschlossen wurde, warum nicht einfach gesagt wurde, dass es um Menschen geht, die Hilfe brauchen, Hilfe, die wir ihnen geben können. „Wir sind gefragt“, meint sie.