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Familienpaten Wie Eltern Zeit geschenkt wird

50 Ostaltmärker engagieren sich ehrenamtlich als Familienpaten. Sie entlasten Alleinerziehende oder Familien in besonderen Lagen.

Von Nora Knappe 07.12.2017, 00:01

Stendal l Dieses Foto spricht Bände: Johanna Fischer trägt ein kleines Mädchen auf ihren Armen, ist ihm herzlich lachend zugewandt, während das Mädchen sie ebenso freudestrahlend anschaut. Man könnte meinen, hier sind Oma und Enkelin abgelichtet – und für Johanna Fischer fühlt es sich genauso an; dem Mädchen, gerade mal zwei Jahre alt, geht es vielleicht auch so. Dabei sind die beiden nicht verwandt. Verbunden sind sie über eine Familienpatenschaft, die der Verein Kinderstärken anbahnt und vermittelt. Und Johanna Fischer ist von Anfang an dabei, die kleine Sophie (Name geändert) ist schon ihr fünftes Patenkind.

Zweimal die Woche, oft auch sonnabends, kümmert sich die Stendaler Rentnerin, deren eigene Enkel schon erwachsen sind, um das Mädchen. Sophies Vater ist alleinerziehend, arbeitet außerhalb Stendals. Also holt sie die Kleine in der Krippe ab, spielt mit ihr bei sich zu Hause, bereitet ihr eine Malzeit zu, geht mit ihr raus. Wenn der Vater sie dann abholen kommt, schauen sie zusammen das Sandmännchen, und Johanna Fischer erzählt ihm noch, was es aus der Kita zu berichten gab.

Die drei, ebenso wie Fischers Ehemann, haben schnell einen Draht zueinander gehabt. Beim ersten Kennenlernen war da auf beiden Seiten ein gutes Gefühl. „Sophie hat noch nicht ein Mal geweint, seit sie hier ist“, sagt die Patin. Und der Vater habe seine anfängliche Zögerlichkeit schnell abgelegt, nimmt die Hilfe dennoch nicht als Selbstverständlichkeit. „Als es mal doll regnete“, erzählt Johanna Fischer, „rief er an, dass ich doch bei diesem Wetter nicht zur Krippe könne und er seine Tochter abholen würde. Aber da hab ich ihm gesagt: Ich bin doch nicht aus Zucker.“

Und sie weiß ja, dass es für ihn eine große Erleichterung ist, zu wissen, dass er sich dann nicht zu hetzen braucht, derweil noch andere Dinge erledigen kann. Und Sophie, die ohne Mutter aufwächst, scheint die Zeit bei ihrer Paten-Oma zu genießen. Für sie war das von Anfang an „Tante Fischer“.

Die dürfte in Stendal-Stadtsee inzwischen sogar ein bisschen berühmt sein. Johanna Fischer hat sich nämlich an der Stadtteilkampagne „Machbarschaft“ beteiligt, in der im Herbst zehn Ehrenamtliche des Wohngebiets vorgestellt wurden. Darum sieht man sie zum Beispiel auch hier und dort von großen Plakaten lächeln.

Wie viele andere soziale Belange auch ist das Projekt Familienpaten von finanzieller Förderung abhängig. Man hangelt sich von Jahr zu Jahr. Deshalb ist Susanne Borkowski, Geschäftsführerin des verantwortlichen Vereins Kinderstärken, froh, dass die Förderung für 2018 durch den Landkreis Stendal gesichert ist. Rund 18.000 Euro bekommt der Verein für diese spezielle Arbeit zugeschossen.

Johanna Fischer und die derzeit 49 anderen Familienpaten in der Ostaltmark bekommen von diesem Geld nichts – jedenfalls nicht direkt, denn sie sind ehrenamtlich tätig. Aber sie bekommen fachliche Anleitung und Supervision, können sich untereinander oder in Einzelgesprächen austauschen, werden zu Fortbildungen eingeladen. Soweit die mehr oder weniger materiellen Dinge. Aber für Johanna Fischer geht es um mehr. Sie weiß, wie sehr es den Eltern der Patenkinder hilft, indem man ihnen für ein paar Stunden den Alltag erleichtert. „Es geht darum, den Eltern Zeit zu schenken“, sagt sie.

„Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, sich allein um zwei kleine Kinder zu kümmern, weil der Mann auf Montage ist. Da haben mir Arbeitskollegen auch mal die Söhne abgenommen, dafür bin ich heute noch dankbar.“ Diese uneigennützige Hilfe sei nicht mehr selbstverständlich. Fischer findet: „Man macht doch etwas nicht, nur wenn man auch etwas dafür bekommt.“

Denn sie sieht, wieviel ebendieses Zeitgeschenk auch bei dem Kind bewirkt. „Sophie war in ihrer körperlichen Entwicklung anfangs etwas hinterher, und ich staune, wie schnell sie Fortschritte gemacht hat. Sie ist so ein lebendiges Kind!“