1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Vater vergeht sich an fünfjähriger Tochter

GefängnisVater vergeht sich an fünfjähriger Tochter

Weil ein Vater aus dem landkeris Stendal seine eigene Tochter missbraucht hat, muss er für drei Jahre ins Gefängnis.

Von Wolfgang Biermann 22.10.2016, 13:35

Stendal l Was gibt es wohl Schlimmeres, als vom eigenen Vater missbraucht zu werden? Das Landgericht hat nach sieben Verhandlungstagen am Ende eines emotionsgeladenen Prozesses einen Mann aus einem Ort im Norden des Landkreises wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs in Tateinheit mit Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Jugendschutzkammer unter Vorsitz von Richter Ulrich Galler sah es, gestützt auf die Aussage des Opfers, als erwiesen an, dass der 54-Jährige Sex mit der leiblichen Tochter hatte, die zum Zeitpunkt der ersten Tat gerade einmal fünf Jahre alt war. In dem am 19. September begonnenen Prozess musste die heute Siebenjährige als Zeugin aussagen. Dabei hatte Richter Galler dem Angeklagten beim Prozessauftakt die sprichwörtlichen goldenen Brücken gebaut. Wenn er ein Geständnis ablege und damit dem Mädchen die Aussage erspare, könnte sich das strafmildernd auswirken – „wenn es denn etwas zu gestehen gibt“. Doch der Angeklagte leugnete die Tatvorwürfe bis zum Schluss. Davon zeigten sich insbesondere die Staatsanwältin und Opferanwalt Frank Dietze enttäuscht. Und so musste das Opfer in den Zeugenstand.

Die Volksstimme verzichtete zum Schutz der Persönlichkeitsinteressen des Kindes auf die Teilnahme bei dessen Aussage. Nach Auskunft von Opferanwalt und Staatsanwältin, denen das Ganze augenscheinlich sehr nahe ging, bestätigte das Mädchen, das sich, die Wartezeit mitgerechnet, etwa fünf Stunden im Gericht aufhalten musste, die Anklagepunkte.

Mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Mädchens und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage hatte das Gericht die renommierte Berliner Psychologin Dorothea Pierwoß beauftragt. Laut Richter Galler fußt das Urteil vor allem auch auf ihrem Gutachten.

Pierwoß hielt das Mädchen für glaubwürdig, lediglich in einem der drei angeklagten Fälle sei das „Aussagesubstrat nicht so ergiebig“ gewesen. Deshalb habe es in diesem einen Fall einen Freispruch für den 54-Jährigen gegeben.

Der Angeklagte ist für die Justiz wohl kein gänzlich unbeschriebenes Blatt, lebte lange Zeit vor den jetzt angeklagten Taten aber straffrei. Laut Opferanwalt Dietze hängt das Mädchen noch immer sehr am Vater, versteht gar nicht, was da eigentlich passiert ist, und gibt sich selbst die Schuld daran, dass sie ihren Vater nicht mehr sehen darf.

Die Siebenjährige befindet sich nach Auskunft der Mutter in psychologischer Behandlung. „Mit einem Geständnis hätte er ein Zeichen setzen können und seinem Kind helfen können, den inneren Frieden wiederzufinden“, so Rechtsanwalt Dietze. Die Chance sei vertan, und auch eine weitere. Denn die Berliner Verteidigerin habe noch am Tag der Urteilsverkündung Revision beim Bundesgerichtshof beantragt. Das bestätigte auch Gerichtssprecher Michael Steenbuck auf Nachfrage. „Im schlimmsten Fall muss das Mädchen noch einmal die Tortur einer Aussage über sich ergehen lassen“, befürchtet Dietze. Im Übrigen sieht er es als ganz normal an, dass ein Zeuge, noch dazu ein Kind, nicht immer wieder dieselben Aussagen vor Polizei, Staatsanwalt und Gericht macht, sondern diese naturgemäß etwas voneinander abweichen können, im Kern aber gleich sind.