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Gerichtsurteil Todesfahrer muss für 15 Monate ins Gefängnis

Ein 30-Jähriger wurde am Dienstag vom Stendaler Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung und Drogenbesitz zu 15 Monate Gefängnis verurteilt.

Von Wolfgang Biermann 15.12.2016, 15:20

Stendal l Das Amtsgericht Stendal hat am Dienstag einen mehrfach vorbestraften 30-Jährigen aus einem Dorf im Elb-Havel-Winkel wegen fahrlässiger Tötung und Drogenbesitz zu 15 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Zudem muss er 500 Euro Geldbuße zahlen und ist für drei Jahre seine Fahrerlaubnis los.

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Petra Ludwig folgte damit dem „sehr milden Antrag der Staatsanwaltschaft“. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Angeklagte am Abend des 28. Mai dieses Jahres unter Drogeneinfluss fahrend auf der B 188, nahe der Hoyer-Tankstelle in Richtung Tangermünde, mit seinem Alfa Romeo einen am Fahrbahnrand befindlichen 57 Jahre alten Fußgänger tödlich verletzte. „Der Angeklagte war viel, viel zu schnell unterwegs, mehr als doppelt zu schnell, wie es angemessen gewesen wäre“, so Richterin Ludwig in der Urteilsbegründung.

Angemessen wären laut Verkehrsunfallgutachter Carsten Wegner an dieser Stelle bei Dunkelheit und mit Abblendlicht 60 km/h gewesen. „Er fuhr aber 130 km/h, wenn nicht noch schneller“, hieß es im Urteil. „Er ist im Tiefflug die Straße entlang gerast“, sagte Staatsanwalt Ulrich Romann in seinem Plädoyer. „Keinerlei Rolle“ spielt es fürs Gericht, dass der tödlich verletzte Fußgänger mit drei Promille Alkohol im Blut erheblich alkoholisiert war.

Der Prozess war nichts für Zartbesaitete. Als der Facharzt für Rechtsmedizin Knut Brandstädter über die Obduktion der in etlichen Einzelteilen am Unfallort und im Alfa Romeo gefundenen Leiche berichtete und sich die Prozessbeteiligten, die Unfallbilder ansahen, herrschte angespannte Stille im Gerichtssaal. Darin befanden sich auch der Bruder und die Lebensgefährtin des Getöteten, der aus einem Ortsteil von Stendal stammte. Der Unfallwagen hatte nach Angaben des Verteidigers des Angeklagten nur noch Schrottwert. Dieser hatte den Unfall körperlich unbeschadet überstanden. Er war laut Polizeibericht „unter Schock“ ins Krankenhaus eingeliefert worden und hatte sich wenig später selbst entlassen.

Verkehrsunfallgutachter Wegner hatte den Unfall in mehreren Varianten rekonstruiert. „Solche massiven Verletzungen habe ich in meiner langjährigen Praxis noch nicht gesehen“, so Wegner. Er hatte einen Anhalteweg von 192 Metern gemessen. Ob es eine Vollbremsung gab oder nicht, sei nicht mehr feststellbar gewesen. Im ungünstigsten Fall ist der Angeklagte mit über 130 km/h, möglicherweise sogar mit 150 km/h, gefahren, im für ihn günstigsten Fall mit 100 km/h. Aber selbst das wäre zu schnell gewesen, so der Gutachter. „Mit Abblendlicht sieht man nur 30 bis 40 Meter, zulässig wäre unter diesen Bedingungen nur Tempo 60.“

Der Angeklagte hatte angegeben, dass er sich trotz des Konsums von Cannabis und Amphetamin fahrtüchtig gefühlt hätte, als er von Stendal nach Hause fahren wollte. Er will nicht schneller als 100 km/h gefahren sein – „definitiv nicht 130 km/h“–, als „plötzlich der Fußgänger am rechten Fahrbahnrand aus einem Busch rückwärts in sein Auto getorkelt“ sei. Er hätte gebremst, aber nicht zu stark, um seinen Wagen in der Spur zu halten. Es tue ihm sehr leid, ließ er über seinen Verteidiger sagen. Die Angaben des Angeklagten zum Unfallgeschehen hielt Gutachter Wegner indes für „nicht plausibel“.

Der Angeklagte ist kein unbeschriebenes Blatt. Im Jahr 2011 ist er zweimal zu Bewährungsstrafen verurteilt worden: einmal wegen gefährlicher Körperverletzung und einmal wegen versuchten Raubes und 53-fachen Diebstahls. 2012 gab es eine weitere Bewährungsstrafe, weil er betrunken mit dem Auto eine Verkehrsgefährdung mit Körperverletzung begangen hatte. Schon vor vier Jahren war ihm die Fahrerlaubnis abgenommen, später aber wieder zurückgegeben worden. Am 23. März dieses Jahres war er in Stendal einer Polizeistreife aufgefallen, weil er ohne Grund mit Nebelscheinwerfer unterwegs war. Eine Kontrolle ergab, dass er unter Drogen stand und auch welche dabei hatte, wie zwei Monate später bei dem schweren Unfall.

Bewährung, wie vom Verteidiger beantragt, „kommt nicht in Betracht“, weil der Angeklagte „seit vielen Jahren notorisch Straftaten begeht, Drogen konsumiert und ihm offensichtlich alle Folgen egal sind“, hieß es weiter in der Urteilsbegründung.