Gespräche Hilfe für die Seele

Vor zwei Jahren wurde in Stendal die Selbsthilfegruppe „Leben mit der Diagnose Krebs“ gebildet. Horst Ziegler erfährt dort Hilfe.

Von Volker Langner 22.09.2016, 01:01

Stendal l Der erste Mittwoch im Monat ist bei Horst Ziegler fest gebucht. Dann fährt der Genthiner nach Stendal – zum Treffen der Selbsthilfegruppe „Leben mit der Diagnose Krebs“, die im Johanniter-Krankenhaus stattfindet. Horst Ziegler hat nämlich Prostatakrebs.

Im Jahr 2013 wurde die Krebserkrankung bei ihm festgestellt. „Die Diagnose hat mich erstmal fast umgehauen. Ich habe gedacht: Das war’s jetzt für mich“, blickt der Außendienstmitarbeiter im Großhandel zurück. Sein Arzt sagte ihm zwar, dass der Erkrankung gut therapierbar sei, und inzwischen ist der Krebs zurückgegangen, „eingeschlafen“, wie Horst Ziegler sagt, aber er macht auch klar: „Die Angst bleibt.“

Ein probates Mittel dagegen ist für ihn die Selbsthilfegruppe in Stendal, die Gespräche mit Leidensgenossen und mit Psychologin Kathleen Gamrath. „Ich habe nach Mitteln und Wegen gesucht, damit sich mein Leben wieder lebenswert anfühlt“, erzählt der 59-Jährige.

Professionelle Hilfe erhoffte er vom Besuch bei einem Psychologen. Eine Bekannte vermittelte ihn nach Stendal, dort erfuhr er von der Selbsthilfegruppe „Leben mit der Diagnose Krebs“. Für ihn ein Glücksfall, wie er sagt. „Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft, tauschen Gedanken aus, reden einfach“, so Horst Ziegler.

Das hört sich eigentlich gar nicht außergewöhnlich an, aber hat er bemerkt, dass eine Reihe von Bekannten seit seiner Krebserkrankung recht verkrampft im Umgang mit ihm sind. „Sie wissen nicht, wie sie mit mir umgehen sollen“, glaubt der Genthiner, der anfügt: „Ich möchte ganz normal behandelt werden, wie ein Gesunder eben.“

In der Selbsthilfegruppe erfährt er dieses unverkrampfte Miteinander. Zudem stimme die Chemie mit Kathleen Gamrath, die die Gruppe leitet. Sie höre aufmerksam zu, berate kompetent, ermögliche auch Einzelgespräche. Das habe ihm schon einiges gebracht, schätzt Horst Ziegler ein. „Ich denke mehr an mich. Ich sehe viele Dinge ganz anders als früher, bewusster. Und ich versuche locker zu bleiben.“

Gar nicht locker bleibt Horst Ziegler, wenn er von der Finanzierung der Selbsthilfegruppe spricht. „Die läuft über Spenden. Eigentlich traurig. Irgendwie fühlt man sich als Kranker abgeschoben“, macht er aus seinem Herzen keine Mördergrube. Kathleen Gamrath ist dankbar für Spenden, mit der die ambulante psychoonkologische Begleitung für Krebserkrankte und für deren Angehörige aufrecht erhalten werden kann.

Die Selbsthilfegruppe, die seit zwei Jahren existiert, zählt derzeit sechs bis acht Mitglieder. Weitere Interessenten sind gern gesehen. Gamrath weiß aber, dass nicht jeden der Schritt zur Gruppe so leicht fällt wie Horst Ziegler. „Viele wollen mit ihrer Erkrankung abschließen, einfach nichts mehr von Krebs hören“, sagt sie. Dann bietet sie an, was Horst Ziegler jeden ersten Mittwoch im Monat erfährt: „In der Selbsthilfegruppe kann man sich Hilfe für die Seele holen.“