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Landtag Der Mann mit dem grünen Stift

Am 12. April wurde der 53-jährige Stendaler Hardy Peter Güssau (CDU) ins höchste Amt des Landes gewählt. Die Volksstimme besuchte ihn.

Von Bernd-Volker Brahms 02.07.2016, 01:01

Stendal/Magdeburg l Noch wirkt das Büro von Landtagspräsident Hardy Peter Güssau etwas karg. Im Schrank seines Büros im ersten Stock des Landtags in Magdeburg am Domplatz stehen erste Gastgeschenke. Ansonsten gibt es einen Schreibtisch und eine Sitzecke mit Ledergarnitur sowie eine Schrankwand. An den Wänden hängt ein Porträt des Bundespräsidenten, so wie dies für gehobene Amtszimmer in ganz Deutschland vorgesehen ist. Einige Gemälde zeigen Magdeburger Ansichten.

„Ich werde die Bilder bald austauschen und welche mit Stendaler Motiven aufhängen“, sagt der 53-jährige Güssau, der seit dem 12. April das protokollarisch höchste Amt in Sachsen-Anhalt inne hat. Die Volksstimme war bei ihm zu Besuch und befragte den Landtagspräsidenten zu seinen ersten Arbeitstagen und erlebte einen lockeren Hardy Peter Güssau, der sich sichtlich wohl fühlt in seinem neuen Amt. Gleichwohl liegen auch turbulente Wochen hinter ihm, gerade der Einzug der AfD ins Parlament hat ihn einige Nerven gekostet. Es sei an ihm, einen geregelten Parlamentsablauf zu organisieren. „Das ist nicht immer ganz einfach“, sagt Güssau.

Demnächst erwartet Güssau Vertreter der Stendaler Winckelmann-Gesellschaft, um unter anderem darüber zu reden, ob er nicht das eine oder andere Exponat für sein Büro ausleihen könne. „Der Landtagspräsident ist nun mal jetzt ein Stendaler und das wird mir sicherlich niemand übel nehmen, wenn das hier auch an den Wänden zu sehen ist“, sagt Güssau.

Beim Volksstimme-Gespräch ist auch Sebastian Schmalenberg dabei, der als Leiter des Präsidentenbüros fungiert und gleichzeitig stellvertretender Pressesprecher des Landtages ist. Der 35-jährige Jurist war vorher Referent der CDU-Landtagsfraktion und hatte Ende 2015 versucht, Dezernent in Dessau-Roßlau zu werden, wo er dem ehemaligen Seehauser Bürgermeister Robert Reck bei der Abstimmung knapp unterlag. Zu den unmittelbaren Mitarbeitern Güssaus gehören auch noch zwei Vorzimmerdamen. „Wir sind schon jetzt ein eingespieltes Team“, sagt der Landtagspräsident, der auf ein harmonisches Umfeld wert legt. Dass er bei anderen nur „Herr Präsident“ heiße, daran habe er sich erst gewöhnen müssen. „Die ersten drei Tage dachte ich, Dieter Steinecke steht hinter mir“, sagt Güssau mit einem verschmitzten Lächeln. Es blitzt etwas von dem auf, was den Stendaler die vergangenen zehn Jahre im Landtag und im Stadtrat sowie im Kreistag auszeichnete: Wortwitz und Humor. Dazu kommt noch eine gewisse Angriffslust gegenüber dem politischen Gegner.

„Man ist als Landtagspräsident von der vordersten Front weg“, sagt Güssau. Er deutet damit an, dass es schon einen gewissen Rollenwechsel bedeutet, als Präsident des Landtags zu fungieren und dort auch eine neutrale Position einzunehmen und sich nicht in die hitzigen Debatten des Landtages einzumischen, so wie er es als bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion in den vergangenen Jahren gerne gemacht hatte. „Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch weiterhin im Stadtrat mal einen raushauen kann“, sagt Güssau. Er müsse jetzt zwischen seinen Ämtern strikt trennen.

Viel Eingewöhnungszeit blieb dem 53-Jährigen nicht, als er vor zweieinhalb Monaten mit 47 Ja-Stimmen (35 Nein, 5 Enthaltungen) gewählt wurde. „Gleich nach der Sitzung bekam ich die ersten Postmappen ausgehändigt“, erzählt Güssau. Noch am selben Tag wurde neben der Tür seines neuen Büros das Namensschild angeschraubt.

„Es war ein bewegender Tag auch für meine Lebensgefährtin und besonders für meinen Vater, die beide zur Konstituierung des Landtags anwesend waren“, sagt der Landtagspräsident. Der heute 78-jährige Peter Güssau spielte in den 1960er und 70er Jahren für Lok Stendal in der DDR-Liga und Oberliga erfolgreich Fußball. Neben seiner Lebensgefährtin und Güssau senior weilten an diesem Tag auch der Stendaler Oberbürgermeister Klaus Schmotz, der Privatschulleiter Peter Scholz und Freund und Taxiunternehmer Danilo Brüggemann im Landtag. Abends wurde noch im kleinen Kreis angestoßen. Die Mutter konnte nicht dabei sein. „Sie verfolgt aber immer alles in der Zeitung und ruft mich gleich an, wenn sie mich wieder im Fernsehen gesehen hat.“

„Ich habe Stress, mache es aber mit einem breiten Grinsen“, sagt der gelernte Gymnasiallehrer über seinen neuen Job, bei dem er nicht nur Landtagssitzungen zu leiten hat, sondern Chef einer Behörde mit 140 Mitarbeitern ist. „Für mich ist fast alles neu, vieles ist eine Premiere“, sagt Güssau. Eine der ersten Sachen, die er gelernt habe, sei die Tatsache gewesen, dass er mit einem grünen Stift zu schreiben habe. So weiß jeder, „der Chef“ hat es gesehen.

Besonders Spaß mache ihm der Empfang von diplomatischen Gästen, erzählt Güssau. Botschafter und Konsule machen derzeit ihre Antrittsbesuche. So waren schon der Botschafter von Großbritannien, Bosnien und Herzegowina, Ungarn und Namibia sowie der Parlamentspräsident aus Georgien da. „Wir haben eine Protokollabteilung, die den Ablauf beschreibt und mir sagt, was ich protokollarisch zu beachten habe“, sagt der Stendaler. Anstrengend würden diese Besuche gelegentlich dadurch, dass ständig hin und her übersetzt werde. „Aber es macht Spaß, weil es oftmals interessante Persönlichkeiten sind.“

Ansonsten bezeichnet Hardy Peter Güssau seine Arbeit als vorwiegend „reine Verwaltungsarbeit“. Allein zur Sichtung der Post gehen täglich bis zu drei Stunden drauf. Veröffentlichungen von Gesetzen, Post an den Landtag, Bürgerzuschriften und gelegentlich auch Autogrammwünsche kämen rein. „Wenn es geht, bearbeite ich die Post im Auto“, sagt Güssau. Selbstverständlich habe er als Landtagspräsident einen Fahrer. „Ich weiß, wenn ich das erzähle, bekomme ich zehn Stimmen weniger.“ Allerdings müsse man wissen, dass es eine Dienstwagenregel im Land gebe, wonach dem Landtagspräsidenten für dienstliche Fahrten ein Wagen zur Verfügung gestellt wird. „Das kann ich mir nicht aussuchen.“ Auf das Nummernschild „LSA 1 1“ für den 7er BMW verzichte er aber, obwohl dieses für ihn bereit liege.

„Mein Tag ist durchgeplant“, sagt Güssau. Oftmals jage ein Termin den nächsten. Einige auswärtige Touren hat er auch schon gemacht. So war er beim Festakt zum 70-jährigen Bestehen des Landes Schleswig-Holstein. „Da war interessant, was für einen großen Raum die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in der jungen Bundesrepublik bei so einer Veranstaltung eingenommen hat“, sagt Güssau. Spannend für ihn war auch die Landtagspräsidentenkonferenz in Wiesbaden, wo er auf seine 15 Amtskollegen der übrigen Bundesländer und den Bundestagspräsidenten traf. Dort sei ein beherrschendes Thema gewesen, dass die EU die deutschen Landtage in ein Lobbyregister eingetragen will. „Da habe ich mich auch sehr drüber aufgeregt“, sagt Güssau. „Wir sind ein Parlament und doch keine Eisbude.“

Hardy Peter Güssau stellt sich noch auf eine lange Zeit im Landtag ein. „2021 werde ich auf jeden Fall noch einmal antreten“, sagt der Stendaler. Dass er jetzt Landtagspräsident geworden ist, darauf habe er nicht hingearbeitet. „Das kann man nicht anstreben, aber im Leben gibt es gelegentlich Türen, durch die muss man dann gehen“, sagt Güssau. Nach der Landtagswahl und dem neuen Kräfteverhältnis mit fünf altmärkischen Abgeordneten sei es auch mal Zeit geworden, dass jemand aus dem nördlichen Teil des Landes ein höheres Amt besetzt. Da das Kultusministerium an den CDU-Kollegen Marco Tullner ging, gab es für den Stendaler kaum andere Alternativen.

Nach den ersten Monaten im höchsten Amt ist bei Güssau noch viel Euphorie im Spiel. „Ich lerne immer noch dazu.“ Außerdem bereite es ihm Spaß, frischen Wind ins Haus zu bringen. „Ich will hier nicht hören, dass haben wir hier schon immer so gemacht oder das gab es hier noch nie“, sagt Güssau. Beim Sommerfest des Landtages habe daher anstatt des sonst üblichen Jazzensembles die Coverband „Million Miles“ aus Tangermünde aufgespielt. „Ich war schon bei vielen Landtagsfesten, dieses Jahr ist das erste Mal getanzt worden“, sagt Güssau. Die Leute hätten ihn gebeten, dass die Gruppe noch länger spielt. Als Chef des Hauses war es eines der kleineren Probleme, die er zuletzt zu lösen hatte.