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Landwirt-Bilanz Obsternte fällt miserabel aus

Die Ernte fällt wegen Frost und zu viel Regen im Landkreis Stendal dürftig aus. Bei Kirschen und Äpfeln gibt es hohe Verluste.

Von Nora Knappe 07.09.2017, 01:01

Stendal l Nur halb abgeerntete Äcker, plattgedrücktes faulig-graues Getreide, Matschkuhlen und Dauer-Wasserlachen, eingesunkene Mähdrescher und Traktoren... Wie es mit der Ernte aussieht, kann man sich in diesem Jahr nur zu gut allein schon vom Augenschein her zusammenreimen. Man würde meinen, es sei ein ziemlich miserables Jahr für die Landwirte.

Doch André Stallbaum will nicht ganz so drastisch formulieren, er nennt es „durchwachsen“. Aus gutem Grund: „Es ist in diesem Jahr alles dabei, von null Ertrag bis zu Rekordertrag“, sagt der Landwirt und Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Stendal im Volksstimme-Gespräch. Bei der Gerste, vorwiegend als Futtergetreide angebaut, liege man wohl gut im Durchschnitt, beim Weizen, je nach Qualität als Backweizen oder aber Futterweizen verwendet, sogar leicht drüber.

Im eigenen Betrieb, der Stallbaum GbR mit Anbauflächen in Stendal und der Wische, habe man alles Getreide inzwischen vom Acker. „Wir sind nicht zufrieden, andere Betriebe sind es. Das ist dieses Jahr sehr unterschiedlich“, sagt der 28-jährige André Stallbaum, der den Betrieb gemeinsam mit seinen Eltern führt.

Bei einigen Landwirten ist die Ernte zudem noch nicht beendet, „zum Teil steht das Getreide noch, der Boden war zu feucht zum Ernten“. Immer mal wieder wurde es versucht, Woche für Woche, so dass sich auf manchen Feldern ein vermeintlich wüstes Bild ergibt: Mal ist ein Streifen abgeerntet, dann wieder steht das Getreide noch. So sehe es beispielsweise bei Steinfeld und Kläden aus oder der nördlichen Wische.

Definitiv desaströs ist nach Stallbaums Einschätzung der Raps-Ertrag. Wieder – denn auch voriges Jahr gab die Ernte schon nicht viel her. Der hierzulande angebaute Raps geht vorwiegend in die Herstellung regenerativer Energie, sprich: Bio-Diesel. Einzig dem Silomais kam der viele Regen im Sommer wohl zugute. „Der steht gut da“, schätzt Stallbaum ein und schiebt ein Aber nach: „Auch da steht noch das Wasser drin. Und die Ernte kommt erst noch.“

Das Wasser oder vielmehr der daraus resultierende aufgeweichte Boden war und ist es denn auch, der so manchen Ernteeinsatz buchstäblich zum Erliegen brachte: Erntemaschinen und Traktoren versanken im Matsch und blieben stecken. „Das gab es in diesem Jahr tatsächlich vermehrt“, bestätigt der Stendaler Landwirt den Eindruck vom Straßenrand. „Besonders gefragt sind daher auch aktuell die Mähdrescher, die auf Raupenfüßen fahren.“

Weniger technikabhängig und maschinisiert ist dagegen der Obstanbau. Aber nicht weniger prekär. „Die Obsternte ist ganz miserabel dieses Jahr“, urteilt Stallbaum, „da hat uns der Frost im Frühjahr ordentlich einen vor den Bug geschossen.“ Der Verlust bei Birnen und Süßkirschen liege bei 100 Prozent, bei Sauerkirschen bei um die 30, 40 Prozent und bei Äpfeln rechnet er mit 60 bis 70 Prozent Einbußen. Und diese Einschätzung sieht Stallbaum als exemplarisch für den gesamten Landkreis. Erst hat der Frost die Blüten geschädigt und dann hat der viele Regen die Ausbreitung pilzlicher Erreger befördert.

Um dennoch Obst verkaufen zu können, gibt es eine bewährte Kooperation unter Obstbauern, erklärt Stallbaum: „Wir haben zum Beispiel aus Querfurt Süßkirschen dazugekauft, mussten die dann hier aber auch teurer verkaufen.“

An das letzte derart schlechte Erntejahr kann sich André Stallbaum noch gut erinnern: „Das war erst 2011. Und ich hoffe, dass sich die Frequenz nicht erhöht.“ Natürlich müsse man gerade im Obstanbau „realistisch davon ausgehen, dass es Jahre mit Totalausfall gibt. Aber der Klimawandel verstärkt das.“

Dennoch wolle der Familienbetrieb weiterhin „nah an der Natur“ anbauen, wie es der Agrarwissenschaftler André Stallbaum formuliert. Das heißt, dass es keine künstliche Bewässerung gibt und dass Pflanzenschutz- und Düngemittel stets nur nach genau ermitteltem Bedarf eingesetzt werden, um Nützlinge wie Bienen und Marienkäfer zu schützen. Und das heißt eben auch, dass es keine Frostschutzmittel und keine Dächer über den Obstbäumen gibt. „Aber wir hatten ja Glück“, meint Stallbaum mit einem Gesicht, das vor Optimismus strahlt, „bei uns war es nur der Frost. Andere hatten dann auch noch Hagel, das sind noch mal ganz andere Schicksale.“

Für den 28-jährigen Landwirt ist sein Beruf bei allen Unbilden ein erfüllender. „Es gibt sicher nicht viele Menschen, die von sich behaupten, dass sie jeden Tag gern zur Arbeit gehen. Ich tue es.“ Und was heißt da eigentlich, dass es in der Landwirtschaft keine festen Arbeitszeiten gibt? „Na klar, von früh bis spät“, sagt André Stallbaum und lacht frei heraus.

Diese unangestrengte, heitere Einstellung zum Beruf sowie sein nüchtern-unternehmerischer Blick in Verbindung mit einer wertschätzenden Haltung zur Natur erklären vielleicht auch, dass er es im aktuellen Wettbewerb um den „Ceres-Award“ für den Landwirt des Jahres in der Kategorie Jung-Landwirt unter die drei Bundesfinalisten geschafft hat. Ob er als Sieger gekürt wird, weiß André Stallbaum erst am 11. Oktober – dann findet in Berlin die Preisverleihung statt.