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Lesung Trio liefert satirische DDR-Episoden

Am Sonnabend gibt es in Stendal die „Ultimative Ossi-Lesung“. Satirische Geschichten über das Leben in der DDR und während der Wende.

Von Jana Henning 08.02.2016, 23:01

Stendal l Treffen sich ein Jungpionier, ein Thälmannpionier und ein FDJler. Ruft der eine: „Vorwärts immer!“, antwortet der andere: „Rückwärts nimmer!“ Klingt wie der Beginn eines schnöden DDR-Witzes, dem maximal ein höfliches Grinsen folgt? Weit gefehlt! Obwohl... Wenn eines bei der „Ultimativen Ossi-Lesung“ am kommenden Sonnabend in Stendal am Start ist, dann eine gehörige Portion feinsten Humors – auch der etwas schwärzeren Sorte.

Den bringen Dominik Bartels, André Bohnwagner und Jörg Schwedler mit. Garantiert unzensiert begeben sich die drei satiregeladenen, im real existierenden Sozialismus her­angewachsenen Alltagspoeten mit geballter Lesebühnen- und Lebenserfahrung „hüben wie drüben“ auf eine Reise in die Vergangenheit. Den Zuhörer erwarten allerlei absurde Geschichten zwischen Plattenbau und Pioniernachmittagen und ein rasanter Ritt durch den Peinlichkeiten-Konsum der DDR sowie den Kuriositäten-Supermarkt nach der Wende.

Alles, „nur keine Ostalgie-Show“, hier müsse man „Früher-war-alles-besser“-Schwärmern direkt das Nudossi vom Brötchen nehmen, darauf legen die in der Hamburger Literaturszene nicht unbeschriebenen Blätter großen Wert.

Für den 38-jährigen Jörg Schwedler wird es ein Heimspiel, er stammt aus der Altmark. Wer ihn auf der Bühne erlebt, dem fällt schnell ein Adjektiv ein: gelassen. Doch das sei nicht immer so gewesen, gibt der nach Stationen in Düsseldorf und Hamburg heute in Lüneburg Sesshafte unumwunden zu. Das Schreiben und seine inzwischen mehr als zehnjährige Bühnenerfahrung hätten wesentlich dazu beigetragen. Wer nun aber geneigt ist, Gelassenheit gar mit Bequemlichkeit zu verwechseln, und denke, Poetry-Slams seien nur etwas für junge, hippe Großstädter, ist mindestens so „schief gewickelt wie… wie… ein Baby in der DDR-Mullwindel“, kombiniert der Vater zweier Kleinkinder. Doch so unbequem wie jenes DDR-Relikt ist Schwedler bei aller Gelassenheit auch.

Ein Komiker von zart bis hart, der seine Kompagnons nach erfolgreichen Auftritten in Hamburg, Hannover und Lüneburg nicht lange zu einer Premiere in seiner Heimat überreden musste.

Gekonnt nehmen Bartels (Sohn des DDR-Fußballers Reinhold Bartels, dessen erste Karrierestation Lok Stendal war), Bohnwagner und Schwedler ihr Publikum anhand persönlicher Episoden jugendlichen Leichtsinns mit auf eine Achterbahnfahrt quer durch die einstige Gefühlswelt – laden den ein oder anderen womöglich ein, Frieden mit eigenen Dämonen der Wendezeit zu schließen.

Erlebnisse von Freunden, aber vor allem eigene Erfahrungen werden ungeniert aufgearbeitet und in selbstironische Geschichten verpackt, die den Anwesenden womöglich (erschreckend) bekannt vorkommen werden. „Na? Mal ehrlich: Wofür ist dein Begrüßungsgeld draufgegangen?“ Vielleicht ja auch für eine fragwürdige Jogginghose…

Hier hat sich ein „TrioColore“ zusammengefunden mit einem ehrgeizigen Ziel: „Jeden Veranstaltungsort in einen VEB Literaturbetrieb, ein Kombinat für Wortkunst oder eine LPG Satire zu verwandeln“, wie es den drei Buchstaben-Jongleuren auf die Frage nach dem Was und Warum der „Ultimativen Ossilesung“ entweicht.

Sie verbindet mehr, als in der DDR geboren zu sein und dem Osten einst den Rücken gekehrt zu haben, um der Reisefreiheit zu frönen. Das merkt man schnell. Doch genau das ist Thema der wortgewandten Literatur-Aktivisten: Dem Dasein im Arbeiter- und Bauernstaat als Kinder und Jugendliche ausgeliefert, nach der Wende hineingeworfen in ein Leben mit schier unbegrenzten Möglichkeiten. Doch was tun, wenn der Horizont lange Zeit so kleingehalten, die Grenzen im Kopf schon gezogen wurden, der Blick auf die Freiheit von ängstlichem Zögern getrübt? Wie bloß alt Eingepflanztes und neue Perspektiven in Einklang bringen?

Klar, dass bei den ersten zaghaften und mühsamen Schritten in den „goldenen Westen“ so manch skurriler Stolperstein wartete, der nicht immer ohne Blessuren genommen wurde. Eins ist sicher: Der Abend verübt einen heftigen Anschlag auf Lachmuskeln wie Denkapparat gleichermaßen.

Die „Ultimative Ossilesung“: Sonnabend, 13. Februar, 20 Uhr im „Kaffeekult“ in Stendal (Einlass ab 19 Uhr) ; der Vorverkauf findet dort statt.