1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Die mit dem König rauchte

Literatur Die mit dem König rauchte

Eine Lesung in Stendal widmet sich der polnischen Literatur-Nobelpreisträgerin Wisława Szymborska. Sie war bescheiden, aber gewitzt.

Von Nora Knappe 03.11.2016, 00:01

Stendal l Gefallen hätte es ihr vielleicht nicht, aber sie hätte wohl auch nichts dagegen gesagt: Die Lyrikerin und Literaturnobelpreisträgerin Wisława Szymborska rückt am 15. November in Stendal in den Mittelpunkt einer Veranstaltung zur polnischen Literatur der Gegenwart. Und im Mittelpunkt stand die zeitlebens sehr bescheidene und sehr zurückhaltende Frau nun mal gar nicht gern. Weshalb sie den „Schock“, 1996 den Nobelpreis verliehen zu bekommen, auch erst einmal verwinden musste.

„Da war sie ziemlich durcheinander, als sie es erfuhr, und sie wollte ihn auch gar nicht“, hat Joanna Sannemann während ihrer Recherchen über Szymborska erfahren. Während des Festbanketts fand sie dann aber doch zu ihrer gewitzten Lockerheit zurück und durchbrach das steife Zeremoniell, indem sie den neben ihr sitzenden schwedischen König zum Rauchen an Ort und Stelle verführte. Das ist eine von vielen Anekdoten und Begebenheiten aus dem Leben der 2012 gestorbenen Szymborska, die sich im Buch „Nic zwyczajnego“ (Nichts Gewöhnliches) wiederfinden. Es erschien 2016 – zwanzig Jahre nach der Verleihung des Nobelpreises, im 25. Jubiläumsjahr des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages – und berichtet aus den letzten 15 Jahren ihres Lebens.

Joanna Sannemann, gebürtige Polin und Leiterin der Stendaler Volkshochschule, möchte es auf der von ihr angebotenen „literarischen Reise in das Nachbarland Polen“ lesend und erzählend vorstellen. Sie sieht darin eine gute Gelegenheit, etwas über unser östliches Nachbarland zu erzählen und zu erfahren, und eben über eine der bekanntesten Literatinnen. Zumal in einem Jahr, da sich die deutsch-polnischen Beziehungen auf politischer Ebene etwas abgekühlt haben.

Es gibt kaum 400 Gedichte von Wisława Szymborska, „aber das reichte, um sie in die polnische Literaturgeschichte eingehen zu lassen“, sagt Joanna Sannemann mit respektvollem Staunen. Sie selbst ist den Gedichten von Szymborska bereits in der Schulzeit begegnet, wenngleich die Lyrikerin damals, in den 60er und 70er Jahren, selbst in Polen nur Kennern ein Begriff war. Ganz eingenommen und fasziniert ist sie von Szymborskas Fähigkeit, „den Alltag so außergewöhnlich auszudrücken, die einfachsten Dinge des Lebens in manchmal philosophischer, manchmal ironischer Weise zu betrachten“. Kompliziertes Denken fasse sie in einfache Sprache, Szymborska „erforscht und kartografiert Augenblicke und koloriert diese Augenblicke lyrisch, so dass sie zu einem besonderen Erlebnis werden“.

Die Veranstaltung "Nichts geschieht ein zweites Mal" findet am Dienstag, 15. November, um 17 Uhr in der Volkshochschule Stendal statt. Anmeldungen bis 7. November in der Volkshochschule Stendal, Hallstraße 35, Tel. 03931/64880, E-Mail:vhs@stendal.de