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Marienkirche Stendal Eine Kugel gibt ihr Geheimnis preis

Das Geheimnis ist gelüftet: In der Dachreiterkugel der Stendal Marienkirche befanden sich Dokumente aus den Jahren 1832, 1911 und 1991.

Von Donald Lyko 27.01.2018, 02:00

Stendal l Schon als Zimmerermeister Marco Vack und Wieland Henning vom Förderverein Glocken St. Marien Stendal am Freitagmittag die 60 Zentimeter hohe, kupferne Dachreiterkugel ganz ohne Anstrengung ins Kirchenschiff trugen, war klar: Zumindest vom Gewicht her ist kein großer Fund zu erwarten. Nachdem die Kugel an der vorhandenen Lötstelle geöffnet worden war, gab es für kurze Zeit sogar die Befürchtung, dass sie leer sein könnte. Doch dann präsentierte die Fördervereinsvorsitzende Bärbel Hornemann eine Kupferkartusche.

Als erstes zog sie eine Ausgabe von „Der Altmärker“ vom 14. Juli 1911 und eine vom „Altmärkischen Intelligenz- und Leseblatt“ vom 15. Juli 1911 hervor. Es folgte eine handschriftliche Mitteilung vom 12. Juli 1911 darüber, welche Mitarbeiter der Magdeburger Firma Schütte in den Tagen zuvor am Dach gearbeitet hatten. Aus diesem Jahr ist ein Schrei­ben des Pfarrers Koch (abgestempelt mit dem Siegel von St. Marien) dabei, außerdem gedruckte Programme zur Liturgie der Andachten Heiligabend und Silvester 1910, dazu das Programm der Konfirmationsnachfeier am 9. April 1911. Zudem wird das Projekt Kirchenheizung vorgestellt, die 1911 eingebaut wurde.

Das älteste Dokument stammt von 1832 und berichtet über Reparaturarbeiten am südlichen Turm nach Sturmschäden. Die jüngsten Funde sind auf 1991 datiert, als der Dachreiter von der Firma Dafas mit Kupferblech belegt worden war. Als Bürgermeister der Stadt legte Manfred Haufe ein Schreiben bei, in dem er die Wendezeit 1989/90 in Stendal beschrieb. Auch der damalige Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Kurt Rönnebeck, hinterließ einige Zeilen.

„Das sind recht aufschlussreiche Dokumente“, fasste Bärbel Hornemann zusammen. In der Kirchengemeinde werden sie jetzt von Fachleuten genau unter die Lupe genommen. Zum Fund gehören auch Münzen: ein Silbergroschen von 1825 und einer von 1830 sowie ein Pfennig von 1825, Münzen von 1902 mit der Prägung Deutsches Reich sowie 18 Pfennige aus der D-Mark-Zeit nach 1990.

Am Freitag haben die Gerüstbauarbeiten begonnen. Denn nachdem die Finanzierung der rund 110.000 Euro Baukosten steht – 69.000 Euro gibt das Land als Denkmalpflegeförderung, 41.000 Euro übernimmt der Förderverein –, geht es jetzt richtig los. „Der Drehplan steht“, sagte Bärbel Hornemann. Zur Marienkirchstraße und zum Kornmarkt werden bis zur Traufhöhe des Kirchenschiffes Schutzrüstungen mit Fangnetzen aufgestellt, damit zum Beispiel bei der Montage der Arbeitsbühne keine Gefahr für Passanten besteht. Um die Arbeitsbühne mit einem Durchmesser von fünf Metern in 36 Meter Höhe bauen zu können, müssen alle Rüstteile über den Turm und das Kirchenschiff zur sogenannten Laterne gebracht werden.

Der Dachreiter-Turmhelm, der auf den seit November 2011 verweisten Stumpf gesetzt werden soll, wird in der Zimmerei Vack in Stendal vorgefertigt. Der Zusammenbau erfolgt dann an der Marienkirche – und jedermann kann dabei zuschauen. Mit einem Kran – für diesen einen Tag muss die Marienkirchstraße komplett gesperrt werden – wird die Turmspitze aufgesetzt.

Was sich so einfach anhört, sei das Ergebnis „heftiger Wochen der Diskussionen“ zwischen allen Beteiligten, sagte Bärbel Hornemann. Denn: „Das ist keine normale Baustelle, es sind spezifische Probleme zu lösen.“ Die Statik ist das eine, zudem muss jede Verbindung beim Wiederaufbau des Dachreiters auf den Millimeter passen. „Immerhin haben wir es mit einem 15,15 Meter hohen Turm einschließlich Laterne zu tun“, so die Vereinsvorsitzende. Auch die Kugel kommt wieder an ihren Platz, die bisherige kann erneut verwendet werden.

Gern hätten alle Beteiligten mit den Bauarbeiten bis zum Frühjahr gewartet, doch wegen des Fördergeldes müssen Fristen eingehalten werden. „Wir können heute noch nicht genau sagen, wie viel Zeit wir brauchen. Das Risiko ist jetzt das Wetter“, sagte Bärbel Hornemann.