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Milliarden-Vorhaben Englischer Müll in der Altmark

Ein Luxemburger Unternehmen möchte bei Arneburg eine Milliarde Euro in eine hochmoderne Recycling- und Energieanlage investieren.

Von Donald Lyko 17.02.2017, 01:00

Arneburg l „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ – Man darf sich getrost dieser Goethe-Worte aus dem „Faust“ bedienen, um die ersten Reaktionen auf die Nachricht von der Milliarden-Investition zusammenzufassen. Mit Informationen über die Anfrage der Global Gateways Lux HoldCo S.A. überraschte Sebastian Stoll (CDU), 2. Beigeordneter des Landrates, am Mittwochabend die Mitglieder des Wirtschaftsförderungsausschusses. Die recht detaillierten Angaben stammen aus einem dreistündigen Gespräch am 26. Januar, in dem der Unternehmensvertreter ausschließlich in englischer Sprache sein Anliegen vorgetragen hat.

Mittlerweile gebe es auch einen Brief mit der Bitte an den Landkreis, sich zu positionieren. Die Luxemburger möchten gern eine Erklärung, ein Willkommensschreiben, mit dem der Landkreis das Vorhaben unterstützt. Dies dürfte eher ideellen Charakter haben, denn bei einer Investition dieser Größenordnung ist das Landesverwaltungsamt Genehmigungsbehörde, und die Grundstücksvermarktung erfolgt über den Eigentümer.

Das in Luxemburg ansässige Unternehmen interessiert sich für eine Fläche im Industrie- und Gewerbepark Altmark nahe Arneburg. Ein Grund dafür ist, dass dort die benötigten 65 Hektar zusammenhängender Fläche zur Verfügung stehen würden.

Pro Jahr soll eine Million Tonnen Hausmüll verarbeitet werden, Müll aus Deutschland und aus England. Importiert werden soll der Müll aus England, weil dort solche Anlagen wegen sich immer wieder ändernder Gesetze und Forderungen nicht umsetzbar seien, erklärte Sebastian Stoll.

Der Müll wird sortiert, um verwertbare Materialien wie Glas und Metall zu gewinnen. Davon sollen pro Jahr 20 000 Tonnen zusammenkommen. Zu den Endprodukten gehören hauptsächlich Gas, Strom und Dampf. Zu dem, was neben der großen Müllmenge benötigt wird, gehören auch 50 Liter Wasser pro Sekunde.

Die Worte hörten die Mitglieder des Ausschusses wohl... Stendals Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) fühlte sich gleich an die Pläne vor gut 20 Jahren für eine Flugzeugwerft bei Mahlwinkel erinnert. „Es halte dies für eine kaum realistische Idee. Ich kann mir beim besten Willen die Realisierbarkeit nicht vorstellen“, sagte er.

Von der Sache her wäre eine Investition dieser Größenordnung gut, „aber ich erinnere mich noch gut an die Diskussion über das geplante Steinkohle-Kraftwerk“, reagierte Bernd Witt (SPD-Fraktion). Torsten Müller (Landwirte-Fraktion): „Wir sollten nicht von Anfang an sagen: Alles Unfug. Die Arbeitsplätze wären gut für die Region.“

Kritisiert wurde das bisherige Auftreten des Investors. „Wer so ein Ding will, der kommt mit einem Stab von Fachleuten. Ich hätte gern mehr erfahren“, sagte Klaus Schmotz, der auch gern eine Bonitätserklärung sehen würde. Im Gespräch habe das Unternehmen erklärt, das Geld dafür zu haben, berichtete Eike Trumpf (CDU) von der Zusammenkunft.

Zur Ausschusssitzung am Mittwoch war auch Trumpfs Nachfolger als Einheitsgemeinde-Bürgermeister in Arneburg-Goldbeck, René Schernikau (parteilos), eingeladen. Dass das Unternehmen über einen Fonds das Geld hat, das nun investiert werden soll, das glaubt er schon. Er sieht die Probleme an zwei anderen Stellen: Erstens wollen die Investoren ihren Firmensitz in Luxemburg lassen, womit hier die Steuern verloren gehen. „Wenn es schon einen Eingriff in unserer Leben gibt, dann mit einem gut bezahlten Gegenwert für die Region. Die Gemeinschaft sollte etwas davon haben“, sagte er. Die Luxemburger könnten „sich vorstellen, eine Gewinnbeteiligung in der Region zu lassen“, hat Sebastian Stoll dem Gespräch im Januar entnommen.

Und der zweite Kritikpunkt Schernikaus, auch von anderen im Ausschuss geäußert, betrifft den Verkehr. Schwerlastverkehr gibt es bereits zum Zellstoffwerk. Bei der erwarteten Müllmenge würde er erheblich zunehmen, selbst wenn zusätzlich die Elbe als Wasserweg genutzt wird. „Schon jetzt halten sich nicht alle Lastwagen vom Zellstoffwerk an die Strecke, das belastet die Dörfer“, sagte René Schernikau.

Das Ergebnis der Diskussion: Die Investoren sollen eingeladen werden, um detailliert (und für alle verständlich in deutscher Sprache) ihre Pläne vorzustellen. Am Gespräch sollen dann Vertreter aus den Fachämtern der Kreisverwaltung teilnehmen.