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Politgespräch Mit der Altmark verbunden

Die Sozialdemokraten Walter Momper und Willi Polte plauderten am Montag in Stendal aus ihrem privaten und politischen Leben.

Von Donald Lyko 19.09.2017, 18:43

Stendal l Die väterliche Familienlinie nach Buch an der Elbe reichend, ein Cousin in Osterburg, Erinnerungen an Ferientage bei Verwandten in Garlipp, Premierenbesuche im Dorftheater Gladigau, spannende Diskussionsabende in Stendal in der Wendezeit – es gibt einiges, was Willi Polte aufzählt als Antwort auf Marina Kermers Frage, was ihn mit der Altmark verbinde. Eine Frage, die die gastgebende Sozialdemokratin zum Auftakt des Gesprächsabends im „Kaffeekult“ auch schon Walter Momper gestellt hatte.

Dessen Kontakte sind nicht privater, sondern beruflicher Natur. Denn Momper ist nicht nur Berliner Politiker, sondern auch in der Projektentwicklung, Bereich Immobilien, tätig. Und dabei führten seine Wege in die Altmark: In Stendal, an der Scharnhorststraße, betreute er den Umbau der ehemaligen Exerzierhalle auf dem Kasernengelände „Albrecht der Bär“ zu einem Einkaufsmarkt. Heute befindet sich dort ein Geschäft für Tierbedarf und -nahrung. Ein paar Jahre sei er aber schon nicht mehr in Stendal gewesen, umso erfreuter war er über das, was er am Montag vor der Veranstaltung sah und erlebte: „Ich finde, die Stadt hat sich gut entwickelt. Es ist jetzt viel belebter.“ Und auch viele Baulücken seien verschwunden.

Als das geklärt war und die Gäste auch erfahren hatten, dass Marina Kermer Walter Momper erst im vergangenen Jahr bei einer Veranstaltung im Volkspark in Berlin-Friedrichshain kennen gelernt hat, Willi Polte aber schon vor 39 Jahren, als er sie als junge Studentin in Magdeburg betreut hatte, ging es in der lockeren Plauderrunde weiter. Die drei Protagonisten hatten es sich dafür vor einem Bücherregal in plüschigen Sesseln gemütlich gemacht. Zwischendurch sorgte das Trio „Yestime“ für musikalische Abwechslung.

Nach der eher launigen Eröffnung mit ganz persönlicher Note eröffnete die Gastgeberin Talk-Runde zwei mit der Frage: Was muss sich in Deutschland ändern? Für Willi Polte ist dies, gerade wenige Tage vor der Bundestagswahl am kommenden Sonntag, die Einstellung vieler Mitmenschen. „Eine Wahl sollte nicht aus dem Bauchgefühl heraus getroffen werden, sondern aus einer Position heraus, die man sich erarbeitet hat“, sagte der ehemalige Magdeburger Oberbürgermeister. „Demokratie heißt, sich den Mühen der Ebene zu stellen“, bemühte der Sozialdemokrat ein Zitat Bertolt Brechts und verknüpfte dies mit der Forderung an die Wähler, sich einzubringen und vor allem, sich zu informieren. Er erinnerte an die Weimarer Republik und deren Untergang, „weil es nicht genug Demokraten gab“. Später, als die Sprache auf die Politikverdrossenheit kam, nahm Polte den Faden noch einmal auf: „Das demokratische System braucht den informierten Bürger. Da haben wir aber noch einen Weg vor uns.“ Er warb dafür, demokratische Parteien zu wählen, „denn niemand sollte erhoffen, dass von ex­tremen Parteien die Probleme gelöst werden“. Vielmehr müsse jeder erkennen, dass er selbst seines Glückes Schmied sei und man sich bemühen müsse, statt immer die Haltung zu haben, „dass das Manna vom Himmel fällt“.

Defizite in Sachen politischer Bildung sieht Willi Polte, von 2002 bis 2006 Mitglied im sachsen-anhaltischen Landtag, an den Schulen. „Viele Lehrer scheuen sich, sich für die Demokratie einzusetzen“, kritisierte er.

In Sachen Politikverdrossenheit sieht Walter Momper eine Mitschuld auch bei den Politikern. „Warum sagen sie nicht auch mal: Das geht nicht!“ Die Politik sollte „zugeben, dass sie bestimmte Dinge nicht regeln kann“, sagte der Berliner und nannte als Beispiel die Versuche, eine Mietpreisbremse umzusetzen.

Deutschlands Engagement in Europa, eine soziale Politik, für die eine Mehrheit gefunden werden muss, Flüchtlinge als Chance für den Arbeitsmarkt, doppelte Staatsbürgerschaft, Fluchtursachen – viele Themen wurden am Montagabend angerissen, während des moderierten Gesprächs und anschließend bei den Fragen von Gästen. Dass auf vieles Antworten im SPD-Wahlprogramm zu finden seien, flocht Marina Kermer immer wieder geschickt ein, sprach aber auch eigene Themen an. Zum Beispiel die finanzielle Unterstützung für die Altmark. Während es für Wirtschaftsansiedlungen Fördergeld gebe, sieht das beim Tourismus etwas anders aus. „Aber wenn eine Region vom Tourismus lebt, dann ist das deren Wirtschaft. Das muss bei der Unterstützung auch so gesehen werden“, forderte Marina Kermer, seit 2013 Mitglied des Bundestages.

Auch wenn Walter Momper keinen trug, kam auch dieser Abend nicht ohne den berühmten roten Schal aus. „Ich werde immer auf den Schal angesprochen“, erzählte der Berliner, selbst in US-Medien werde über den „man with the red scarf“ berichtet. Mittlerweile gebe es schon Anfragen von Museen, die am roten Originalschal interessiert sind. Es sei Zufall gewesen, dass er seinerzeit zu diesem Schal gegriffen hat, der zum Markenzeichen wurde: Er habe ihn einfach nur aus dem Schrank genommen, weil es draußen kalt war.

Für drei Gäste gab es am Montag je einen roten Schal – als Tombolagewinn. Momper griff gern zum Stift und signierte die flauschige Erinnerung.