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Prozess 60 000 Euro eingesteckt - ohne Lieferung

Zwei vorbestrafte Männer sollen Geld für eine Solaranlage ergaunert haben. Das Amtsgericht Stendal stellte den Prozeß gegen Auflage ein.

Von Wolfgang Biermann 28.10.2016, 13:41

Stendal l Anders als erwartet ist in dieser Woche ein am 16. August begonnener Prozess vor dem Stendaler Amtsgericht um groß angelegten Betrug zu Ende gegangen. Statt eines Urteils gab es am fünften Verhandlungstag und Anhörung von zwei Zeugen eine Verfahrenseinstellung, allerdings mit fristgebundenen Auflagen für die beiden Angeklagten.

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hatte einem 60-jährigen gebürtigen Tangermünder und einem 48-jährigen gebürtigen Stendaler zur Last gelegt, im Jahr 2009 durch Vorspiegelung falscher Tatsachen und per Urkundenfälschung 60 000 Euro im Zusammenhang mit einer Photovoltaikanlage ergaunert zu haben.

Dazu sollen sich die beiden einschlägig wegen Betruges mehrfach vorbestraften Angeklagten eines Tangermünder Kleinunternehmers als Strohmann bedient haben. Der soll den beiden gegen 2000 Euro Entgelt sein Konto und seinen Firmenbriefkopf zur Verfügung gestellt haben. Dieser Kleinunternehmer musste im Laufe des Prozesses insgesamt drei Mal in den Zeugenstand und beteuerte immer wieder seine Unschuld. Dass er das Konto zur Verfügung gestellt hatte, weil die Angeklagten angeblich kein Eigenes hatten, stritt er nicht ab.

Mit der Solaranlage selbst will er aber nichts zu tun gehabt haben. In einer Rechnung über die Lieferung und Aufstellung der Photovoltaikanlage an einen Mann aus dem Rheinland, der zum Tatzeitpunkt in Havelberg ein Haus besaß, auf dessen Dach die Anlage installiert werden sollte, war die Firma des Tangermünders als ausführende genannt. Ob der Briefkopf seiner Firma von den Angeklagten in abgeänderter Form, also gefälscht, verwendet wurde, blieb bis zum Schluss ungeklärt. Auf jeden Fall hatte der Rheinländer gezahlt.

Nachdem sich die beiden Angeklagten bis zum letzten Prozesstag nicht zur Sache eingelassen hatten, gab der 60-Jährige über seinen Verteidiger eine Erklärung ab. Demnach hätte er 2009 die dem Rheinländer in Rechnung gestellte Solaranlage günstig erworben. Woher, wollte er nicht sagen. Ursprünglich war die Rede davon, dass sie aus China kommen sollte.

Offensichtlich hatten die Angeklagten tatsächlich etwas unternommen, um diese Anlage zu installieren. Das bestätigte ein Elektromeister aus Jerichow, der kurzfristig am letzten Prozesstag als Zeuge aufgeboten wurde. Demnach hatte seine Firma eine Art Vertragsangebot für die Anschlussarbeiten erstellt, die aber nie realisiert wurden.

Nachdem der Richter die Verteidiger auf Widersprüche hinsichtlich des Geschehens zu früheren Angaben aufmerksam gemacht hatte, erklärte der Verteidiger des 48-Jährigen: „Das war ein früher Verfahrensstand“. Es sei da „noch nicht alles bekannt gewesen“.

Schließlich hissten beide die sprichwörtliche weiße Fahne und sprachen von einem „Heiratsantrag“ in Richtung Gericht und Staatsanwalt. Demnach würden sich ihre Mandanten bei Einstellung des Verfahrens zur Lieferung und Montage einer gleichwertigen Solaranlage verpflichten.

Der Staatsanwalt zeigte sich davon unbeeindruckt, er wollte ein Urteil. Davon hätte der Rheinländer aber gar nichts. So käme dieser doch noch zu einer Solaranlage, gab der Richter zu bedenken. Erst als eine alternative Zahlung von 58 000 Euro ins Spiel kam, stimmte der Staatsanwalt zu.

Wenn die Angeklagten innerhalb von drei Monaten die Anlage liefern und montieren oder die 58 000 Euro zahlen, ist das Verfahren endgültig eingestellt. Wenn nicht, wird der Prozess neu aufgerollt.

Indes wird es wohl auf jeden Fall einen neuen Prozess geben. Denn der Staatsanwalt kündigte nach dem Prozess am Mittwoch im Gespräch mit der Volksstimme eine weitere Anklage an, bei der es um noch mehr Geld gehe und bei der aus seiner Sicht die Beweislage besser sei.