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Prozess geplatzt Neustart mit einem Dolmetscher

Der Auftakt eines Prozesses wegen Widerstands gegen Polizisten in Stendal ist geplatzt - weil der Angeklagte kein Deutsch versteht.

Von Wolfgang Biermann 19.01.2017, 14:45

Stendal l Bevor der Prozess gegen einen einschlägig vorbestraften, in Stendal wohnenden Mann wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in der Vorwoche vor dem Amtsgericht beginnen konnte, war er auch schon vorbei. Genauer gesagt, ist der Auftakt geplatzt, und wird der Prozess am 2. Februar neu aufgerollt.

Denn der Verteidiger des Mannes, dessen Herkunft und Nationalität unbekannt blieben, verkündete zum Prozessbeginn: „Mein Mandant spricht kein Deutsch, er kann dem Prozessverlauf nicht folgen. Wir brauchen einen Russisch-Dolmetscher.“ Warum er das nicht schon vorher mitgeteilt habe, wollte der sichtlich ungehaltene Richter Thomas Schulz wissen. „Sorry“ – das habe er vergessen, bekam er als Antwort vom Anwalt zu hören. „Und er kann kein Deutsch, es sollen doch deutsche Worte in Richtung der Polizisten gefallen sein?“, hakte der Richter nach.

Ob man sich denn nicht vielleicht mit dem Erlass eines schriftlichen Strafbefehls außerhalb der mündlichen Verhandlung einen neuen Termin ersparen könne, sträubte sich Schulz gegen das erneute Aufrollen des Prozesses. Auf diesem Weg sei der Angeklagte ja schließlich schon im November 2015 wegen eines ähnlichen Sachverhalts zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Im Prinzip ginge das, so der Verteidiger. Allerdings widerspreche sein Mandant der Darstellung des Sachverhalts durch die Polizeibeamten.

Es „war nicht so“, wie es in der Anklage steht, zitierte der Verteidiger aus der vorbereiteten schriftlichen Einlassung des Angeklagten. Demnach sei dieser „vollkommen betrunken“ gewesen. Ein Polizist hätte ihn geschubst. Von den Beamten sei sodann Pfefferspray versprüht worden. Sein Mandant habe „nicht mal ansatzweise Widerstand geleistet“, sondern als Reaktion eine „Abwehrhaltung eingenommen“.

Keine gute Ausgangsposition für den Erlass eines Strafbefehls, weil nach einem zu erwartenden Einspruch des Angeklagten dagegen eine Gerichtsverhandlung gewiss sei, erkannten denn auch Staatsanwalt und Richter. Als neuen Termin zur Aufklärung des Geschehens setzte das Gericht den 2. Februar fest.

Die vier als Zeugen geladenen und auch erschienenen Polizeibeamten wurden sogleich zu diesem Termin geladen. Zum konkreten Sachverhalt, der verhandelt werden soll, wurde bislang nichts bekannt. Nur soviel: Die Polizei war im Vorjahr zum wiederholten Mal wegen ruhestörenden Lärms in den Mehrgeschosser im Wohngebiet Stadtsee gerufen worden, wo der Angeklagte mit Frau und Kind lebt. Beide seien laut Verteidiger auch anwesend gewesen.

Die Ehefrau soll nun am 2. Februar ebenfalls in den Zeugenstuhl. Und einen Dolmetscher wird das Gericht zur Wahrung der Rechte des Angeklagten ebenfalls laden.