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Prozessauftakt Bulgarinnen zum Schein vermittelt

Gegen einen 52-jährigen Havelberger und einen 35-jährigen Bulgaren wurde am Mittwoch der Prozess vor dem Stendaler Landgericht eröffnet.

Von Wolfgang Biermann 17.08.2016, 23:01

Stendal l Um das gewerbsmäßige Einschleusen von Ausländern mittels Scheinehe in elf Fällen geht es in einem am Mittwoch eröffneten Prozess am Landgericht. Ein Mann aus Havelberg (52) mit indischen Wurzeln und ein bulgarischer Staatsbürger (35), der sich in U-Haft befindet, sollen arbeitsteilig von Dezember 2014 bis zum 9. März dieses Jahres über ein bundesweit agierendes Netzwerk mit etlichen Helfershelfern zehn bulgarische Frauen und eine Rumänin an indische Männer vermittelt haben, damit sich diese Männer unter Verstoß gegen europäische und deutsche Gesetze per sogenannter Aufenthaltskarte in Deutschland aufhalten dürfen.

Dazu sind laut Anklage der Staatsanwaltschaft Stendal Arbeits- und Mietverträge fingiert sowie weitere Urkunden gefälscht worden. Die Eheschließungen selbst wurden in Dänemark vollzogen. Zwischen 18 000 und 20 000 Euro sollen jeweils geflossen sein.

175 Beamte des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt und der Bundespolizeidirektion Pirna hatten am 9. März in Havelberg sowie in Berlin, Brandenburg, Hessen und Rheinland-Pfalz Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht (Volksstimme berichtete). Bei der Razzia waren die Angeklagten festgenommen worden. Der Havelberger ist verheiratet und betreibt ein Gewerbe in der Domstadt, er kam deshalb wieder auf freien Fuß. Gegen den Bulgaren wurde Haftbefehl erlassen. Er befindet sich seitdem in der JVA Halle.

Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang gegen mehrere weitere Männer und Frauen, so unter anderem gegen einen ehemaligen Anwalt sowie einen weiteren Mittäter in Frankfurt am Main und die Ehefrau des bulgarischen Angeklagten. Gegen die elf indischen Männer wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts eingeleitet.

Beschlagnahmt wurden bei der Razzia am 9. März unter anderem Bargeld, Handys und diverse Schriftstücke. Bei dem gestrigen Prozessauftakt haben sich die beiden Angeklagten, wie auch schon im Ermittlungsverfahren, geständig gezeigt und wollen „umfangreich aussagen“.

Demnach war der Havelberger für die Organisation der Eheschließungen, das Besorgen der fingierten Arbeits- und Mietverträge sowie für die Herstellung der Kontakte zur Ausländerbehörde in Frankfurt am Main über die beiden dort lebenden Helfershelfer und eine Partnervermittlungsagentur in Mannheim (Baden Württemberg) zuständig. Ein Verwandter hätte ihn auf die Idee gebracht, um zunächst Anverwandte nach Deutschland zu holen. Der Bulgare warb im Gegenzug die heiratswilligen Frauen in seinem Heimatland an.

Von den bis zu 20 000 Euro je eingeschleustem Ausländer wollen beide selbst kaum was behalten haben. Er habe es wohl „nicht umsonst gemacht“. Das meiste sei aber für „Kosten“ draufgegangen, sagte der Havelberger und erntete dafür ungläubiges Kopfschütteln bei der Vorsitzenden Richterin Simone Henze-von Staden. Angeklagt sind die Taten als Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz. Das sieht im Regelfall laut Gerichtssprecher Michael Steenbuck für gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.

Die Richter gaben zum Prozessauftakt den rechtlichen Hinweis, dass auch eine Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (EU-Freizügigkeitsgesetz) in Betracht kommen könnte. Acht Verhandlungstage hat die 1. Große Strafkammer bis dato angesetzt. Demnach soll nur eine einzige Zeugin gehört werden.

„Wir werden Fall für Fall durchgehen und uns an der Anklage entlang hangeln“, sagte Richterin Henze-von Staden. Das Urteil ist für den 7. September geplant.